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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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Erbe. Du hast eine Aufgabe, die du für undurchführbar hieltest, dennoch in Angriff genommen und hervorragend gemeistert. Ich freue mich, dich kennenzulernen und unterweisen zu dürfen.«
    Während Gideon sich mit roten Wangen erhob, um vor seiner Ahnfrau auf die Knie zu fallen, ergriff sie seine Hände, drückte sie warm, sah in die Runde der Gäste und forderte: »Kommt, meine Lieben! Bäder und frische Kleidung warten auf euch, genauso wie ein Festschmaus und weiche Betten. Bevor wir mit der Unterweisung beginnen, solltet ihr euch erst einmal erholen. Wo wäre das besser möglich als hier im ewigen Eis, wo Zeit kaum eine Rolle spielt.«
    »Ein Bad und frische Kleidung? Oh ja!«, jubelte Caitlin und sprang auf die Füße.
    Gideon ergänzte: »Es mag an der Höhe liegen, aber diese Aussichten erscheinen auch mir geradezu himmlisch. Seit geraumer Zeit befürchte ich, mit meiner Kleidung verwachsen zu sein.«
    Rhonan sehnte sich nicht unbedingt nach einem Bad, nickte aber zufrieden. Gedanken um das Leben seiner Begleiter musste er sich zurzeit nicht machen. Allein das war schon eine willkommene Abwechslung.
    Dala klatschte in die Hände, und sechs kleine Gestalten in bodenlangen, weißen Gewändern huschten herbei, die aussahen wie glatzköpfige Kinder und sich durch nichts unterschieden. Sie erklärte: »Unsere Kellings werden euch zu Diensten sein und auf ein Händeklatschen hin erscheinen. Sagt ihnen, was ihr benötigt, und sie werden eure Wünsche, wenn möglich, erfüllen. Geht auch nicht ohne sie irgendwo hin.«
    Noch einmal sah sie in die Runde. »Nehmt meine Warnung bitte ernst! Ihr könnt erkunden, was immer ihr wollt, nur nicht allein. Die Kellings sind Diener, keine Wächter. Dies ist ein magischer Ort, jenseits von Zeit und Raum. Ein falscher Tritt, und ihr stürzt in die Unendlichkeit! Die Kellings können euch zwar verstehen, sind aber von Natur aus stumm. Erwartet also keine Unterhaltung!«
    Sie lächelte wohlwollend. »Kommt nun, ihr Lieben!«
    Palema fand es offensichtlich an der Zeit, sich wieder ins Geschehen einzubringen. »Wie gut, dass wir unsere Dala haben! Sie weiß natürlich, dass die Gefahr, in der die Menschen schweben, nichts ist im Vergleich zu einem erfrischenden Bad. Genießt also unsere Annehmlichkeiten, bis ihr es für angemessen haltet, euch mit eurer Aufgabe zu befassen. Bedenkt dabei nur eins: So langsam die Zeit hier auch vergeht, sie bleibt nicht stehen. Gestorben wird in diesem Krieg bei jedem Wimpernschlag.«
    »Diese Palema mag ich nicht besonders«, raunte Caitlin Rhonan zu, als sie hinter Dala den Raum verließen.
    Der zuckte lediglich die Achseln.

    Etliche Zeit später wühlte Caitlin nach einem ausgedehnten Bad in den schönsten Kleidern, die sie jemals gesehen hatte. Stoffe, die zart und seidig durch die Finger glitten, ließen ihr Herz höherschlagen. Hübsche Schuhe, Geschmeide und schlichte oder reichverzierte Gürtel entlockten ihr Ausrufe des Entzückens. Wieder und wieder zog sie sich um und konnte sich einfach nicht entscheiden, ob sie das grüne, das blaue, das gelbe oder vielleicht sogar das weiße Kleid wählen sollte. Sie entschied sich schließlich für das gelbe; nicht wegen der hübschen Stickerei, sondern weil das den tiefsten Ausschnitt hatte. Enggeschnürt hob es ihre kleinen Brüste. Schließlich wollte sie sich Rhonan, der sie nur in Hosen oder unförmiger, wollener Unterkleidung kannte, endlich einmal in voller Schönheit präsentieren. Sie schlüpfte gerade in das achte oder neunte Paar Schuhe, als es klopfte.
    »Caitlin, wir warten seit geraumer Zeit mit dem Essen auf dich. Bist du eingeschlafen, oder was?«
    Sie ordnete noch schnell ihr Haar, stellte sich in Positur und forderte: »Komm nur herein, Rhonan!«
    Die Tür wurde geöffnet, und in zwei Gesichtern spiegelte sich Überraschung.
    Caitlin musterte verblüfft ihren Begleiter, der nach wie vor seine – nun allerdings auf Hochglanz polierten – Stiefel trug, ansonsten aber völlig verändert aussah. Ein weißes Leinenhemd mit weiten Ärmeln, die am Handgelenk zusammengerafft waren, steckte in einer schwarzen Hose. Der Bart war ab, das etwas kürzere Haar im Nacken zusammengebunden. Aus einem Enterich war kein Schwan geworden, aber aus einem Ziegenhirten ein annehmbarer Tischnachbar für eine Prinzessin.
    »Du hast dich rasiert«, stellte sie fest. »Das gefällt mir. Du siehst jünger aus und auch freundlicher.«
    »Hmm.« Sein Blick glitt durchs Zimmer, das einem Schlachtfeld glich. Das

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