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Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte

Titel: Das Vorzelt zur Hölle: Wie ich die Familienurlaube meiner Kindheit überlebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tommy Krappweis
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Prolog
    Ich stehe im Studio Berlin-Adlershof am Set und blicke in ein deprimiertes Gesicht. Es gehört der niederschmetterndsten Backware seit Erfindung der Kornschrotung: Bernd das Brot. Meine Aufgabe ist es, die Regie zu führen, also das Drehbuch mit den gegebenen Umständen aus Personal, Budget und Zeit so gut wie möglich umzusetzen. Da ich gleichzeitig auch der Produzent bin, gibt es niemanden, der mich ermahnt, außer mir selbst.

Bernd das Brot wurde 1999 von meinem Kollegen Norman Cöster und mir erfunden. Bernd hat es uns nie gedankt.
    Gerade drehen wir eine Szene, in der Bernd das Brot versucht, ein Campingzelt aufzubauen. Von den viel zu kurzen Armen mal abgesehen, läuft alles so ab, wie ich es aus meiner Kindheit kenne. Die Heringe lassen sich nicht in den Steinboden hämmern und verbiegen, die Gleiter an den Schnüren rutschen immer durch, der Zug erschlafft, der Reißverschluss klemmt …
    Bernd schaut in die Kamera und sagt sein obligatorisches: »Mist.« Recht hat er.
    Von Beginn der Produktion im Jahr 1999 an haben Norman Cöster, Erik Haffner und ich unsere Kindheitserinnerungen, Traumata und Hassbilder durch die Handpuppen Bernd das Brot, Chili das Schaf und Briegel den Busch gefiltert. Dadurch konnten wir unseren Dämonen einen Namen geben.
    Norm hat die Namen von seinen Lehrern als Erzbösewichte eingebaut, Erik seine Jugend in der Pfalz unter anderem durch Briegels Auszeichnung als »Miss Pfalzwein 2004« verarbeitet, und ich … tja, ich drehe jetzt eine Camping-Folge, und Bernd muss leiden. So wie ich gelitten habe.
    Meine Gedanken sind erfüllt von der Vorfreude auf das Gesicht, das mein Vater machen wird, wenn er jeden einzelnen Gag erkennt als das, was er ist: Rache. Meine persönliche Rache für unzählige schreckliche, nervtötende, nasskalte, brütend heiße, unbequeme, sicherheitstechnisch mehr als grenzwertige, weil oftmals lebensgefährliche Campingurlaube direkt in der Hölle und zurück.
    Ha! So, Bernd, und jetzt klappt das rachitische Zelt über dir zusammen. Doppelmist, haha!
    Natürlich muss ich mich zurückhalten, denn schließlich drehe ich gerade eine Familiensendung. Und so manches Abenteuer aus meiner Erinnerung würde trotz Handpuppen ein wenig übertrieben wirken. Also kapriziere ich mich in dieser Folge eher auf die allseits bekannten Klischees:
    Jetzt macht Bernd sich auf zum kilometerweiten Gewaltmarsch Richtung sanitäre Anlagen. Dort wird er auf übergewichtige Stiernacken treffen, die ihn am Waschbecken zwischen ihren mächtigen Leibern einklemmen. Die Dusche wird vom obligatorischen Dauerduscher okkupiert sein, von dem nur ab und zu die eingeschäumten Hände zu sehen sind, wenn sie aus einem prall gefüllten Beutel mit Fünfzig-Cent-Stücken eine weitere Münze in den entsprechenden Schlitz schieben. Und die Toilette wird so sehr von Spinnweben überzogen sein, dass man die Schüssel nur auf den zweiten Blick als solche identifiziert. Das liegt daran, dass bis auf Bernd alle ihre eigene Camping-Toilette dabeihaben und nicht auf diesen, nennen wir es: Service zurückgreifen müssen. Und das war noch längst nicht alles! Ein wohliger Schauer durchfährt mich. Satisfaktion. Ahhh …

    Als Autor bin ich es gewohnt, dass die Figuren in meiner Vorstellung den Text sprechen und ich ihn nur schnell genug tippen muss. Aber diesmal hatte es eine ganz neue Qualität. Selten floss mir ein Drehbuch so aus den Fingern wie Bernds Campingurlaub. Hier nahm Bernd wirklich fast eins zu eins meine Rolle ein, wunderte sich über die Dinge, über die ich mich damals gewundert hatte, und schimpfte weithin hörbar über all das, wofür ich damals keine Worte fand. Und Bernds Lamento wird genauso wenig von seinen Freunden Chili und Briegel gehört, wie mein Protest ehemals von meinen Eltern wahrgenommen wurde.

    Der Grund hierfür ist ganz einfach: Meine Eltern waren und sind Campingfans.

    Dies ist die Geschichte eines Jungen, der heute nur noch in Hotels übernachtet. Hotels, in denen kein Mülleimerchen auf dem Frühstückstisch steht.

Liegt es an mir?
    I ch habe eine dreijährige Tochter namens Finja Maria Krappweis. Einerseits hoffe ich, dass sie mich verstehen wird, wenn sie irgendwann dieses Büchlein liest. Andererseits hoffe ich noch viel mehr, dass sie nicht zu einer solchen Verweigerungsmaschine heranwächst, wie ich eine bin.
    Inzwischen weiß ich, dass es kaum möglich ist, mit mir Gesellschaftsspiele zu spielen oder länger als vielleicht zwei Stunden gesellig beisammen

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