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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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»Vom dritten Mal.«
    Die Frau nickte. Ihre Augen wandten sich Finn zu, dann richteten sie sich wieder auf seine Mutter. »Er ist noch da«, stellte sie fest. »Das freut mich.«
    Finn sagte nichts; er war so jung, dass es ihr das Herz brechen wollte. Der Mann auf der Türschwelle bewegte sich unruhig. »Wir brauchen Hilfe«, erklärte er. »Wir haben auf der Flucht vor dem Wolfsfürsten unsere Welt verlassen. Ich bin Pwyll, dies ist Jennifer. Im letzten Frühjahr haben wir mit Loren den Übergang hierher vollzogen.«
    Vae nickte und wünschte sich, Shahar wäre hier statt mit der Lanze seines Großvaters in der windigen Kälte der Nordfeste. Er war Handwerker, kein Soldat, was wusste ihr Mann schon vom Krieg?
    »Kommt herein«, lud sie sie ein und trat einen Schritt zurück. Finn schloss hinter ihnen die Tür und verriegelte sie. »Ich bin Vae. Mein Mann ist nicht da. Welche Hilfe könnte ich euch schon bieten?«
    »Der Übergang hat verfrühte Wehen bei mir ausgelöst«, eröffnete die Frau mit Namen Jennifer ihr, und Vae sah ihrem Gesicht an, dass sie die Wahrheit sprach.
    »Mach Feuer«, wies sie Finn an. »Oben in meinem Zimmer.« Sie wandte sich an den anderen Mann. »Helft ihm. Bringt auf dem Feuer Wasser zum Kochen. Finn wird Euch zeigen, wo das saubere Leinenzeug liegt. Beeilt euch, ihr zwei.«
    Sie entfernten sich, nahmen zwei Stufen auf einmal.
    Allein im Kerzenschein des Ladens, zwischen der unversponnenen Wolle und den fertigen Waren blickten sie und die andere Frau einander prüfend an.
    »Warum ich?« fragte Vae.
    Die Augen der anderen waren umwölkt von Schmerzen. »Weil ich«, antwortete sie, »eine Mutter brauche, die weiß, ihr Kind zu lieben.«
    In weiter Ferne vernahm Vae einen Laut, wie Musik. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie fest geschlafen; die Frau, die neben ihr in diesem Raum stand, war so schön, dass sie hätte ein Geschöpf aus der Traumwelt sein können, abgesehen von ihren Augen.
    »Ich verstehe nicht recht«, gestand Vae.
    »Ich werde ihn allein lassen müssen«, erklärte ihr die hochgewachsene Frau. »Könntet Ihr Euer Herz einem zweiten Sohn schenken, wenn Finn sich aufmacht, den Längsten Weg zu nehmen?«
    Am helllichten Tag hätte sie nicht gezögert, jedermann zu ohrfeigen oder zu verfluchen, der so unverblümt aussprach, was ihr Innerstes durchdrang wie eine scharfe Klinge. Doch es war Nacht und beinahe wie im Traum, und die andere Frau weinte.
    Sie war eine einfache Frau, eine, die zusammen mit ihrem Mann Wolle und Tuch bearbeitete. Sie hatte einen Sohn, der aus Gründen, die ihr unverständlich waren, beim Ta’kiena dreimal auf den Längsten Weg berufen worden war, und dann ein viertes Mal, ehe der Berg Feuer spuckte und vom Krieg kündete. Und nun geschah ihr dies, und sie hörte ferne Musik.
    »Ja«, erklärte Vae sich schlicht bereit. »Ich könnte ein zweites Kind lieben. Es ist ein Sohn?«
    Jennifer wischte sich die Tränen fort. »Ja, ein Sohn. Doch es gibt noch mehr zu sagen. Er wird ein Andain sein, und ich weiß nicht, welche Bedeutung das hat.«
    Vae merkte, dass ihre Hände zitterten. Kind eines Gottes. Das hatte vielerlei Bedeutung; meist jedoch vergessen. Sie nahm einen tiefen Atemzug. »Gut«, bemerkte sie. Die Musik kam ihr lauter vor.
    »Noch eines«, fing die goldene Frau nochmals zu sprechen an.
    Vae schloss die Augen. »Sagt es mir ruhig.«
    Noch lange hielt sie sie geschlossen, nachdem der Name gefallen war. Sie hörte, wie die tiefen Harmonien der Musik verstummten. Dann machte Vae, mutiger, als sie es sich je zugetraut hätte, die Augen auf und versprach: »Er wird viel Liebe brauchen. Ich will es versuchen.« Als sie die andere Frau daraufhin weinen sah, spürte sie, wie das Mitleid in Wellen über sie kam.
    Nach einer Wehe fasste Jennifer sich, nur um gleich darauf deutlich sichtbar von schmerzhaften Krämpfen geschüttelt zu werden.
    »Wir sollten besser nach oben gehen«, schlug Vae vor. »Dies wird keine leichte Geburt. Schafft Ihr es die Stufen hinauf?«
    Jennifer nickte. Sie traten gemeinsam zur Treppe, und Vae schlang den Arm um die andere. Jennifer blieb stehen.
    »Wenn Ihr einen zweiten Sohn hättet«, flüsterte sie, »welchen Namen hättet Ihr ihm gegeben?«
    Und es war doch die Traumwelt. »Darien«, antwortete Vae. »Nach meinem Vater.«
     
    Es war keine leichte Geburt, aber sie dauerte auch nicht lange. Er war natürlich klein, mehr als zwei Monate zu früh geboren, aber nicht so klein, wie sie erwartet hätte. Als es vorbei war,

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