Das Weihnachtsversprechen
Recht hatte, auch noch den Sitz von Chaz einzunehmen. Den größten Teil der Fahrt verbrachte Chaz damit, seine Armlehne und seinen Fußraum zu verteidigen, während er zusah, wie draußen der Schnee fiel.
Der Bus fuhr über den Marktplatz und hielt an einer Bushaltestelle, die lediglich aus einer Bank vor einer kleinen, ein paar Blocks vom Stadtzentrum entfernt liegenden Geschäftsfassade bestand. Chaz griff nach seinem Rucksack und zwängte sich aus seinem Sitz. Der dicke Mann dachte gar nicht daran, aufzustehen.
Chaz zog sich die Kapuze seines Sweatshirts über den Kopf und machte sich auf den Weg. Etwas weiter die Straße hinauf entdeckte er das Apartmenthaus. Ein Einzimmerapartment war frei, und er konnte sofort einziehen, nachdem er die Kaution und die Miete für den ersten Monat bezahlt hatte. Sein ganzer Besitz steckte in seinem Rucksack.
Später an jenem Tag entdeckte Chaz eine Matratze mit dem dazugehörigen Bettgestell neben dem Müllcontainer der Apartmentanlage. Er ging hin, um sich seinen Fund anzusehen. Der Besitzer des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite tauschte gerade einige Lämpchen der Weihnachtsbeleuchtung an der Vorderfront aus.
»Diese Lichter waren das ganze Jahr an«, meinte eine Frau in der Nähe, als sie sah, dass Chaz zu dem Mann hinüberblickte.
Die Frau sprach weiter über die Lichter, aber Chazignorierte sie. Er begutachtete das Bettgestell. Ein Bein war abgebrochen, doch ihm war klar, dass er es nur entsprechend abstützen musste, um ein geeignetes Bett zu haben. Er trug Matratze und Rahmen die drei Treppenabsätze zu seinem Apartment hinauf und stellte beides gegen die hellbeige Wand in seinem Zimmer.
Einige Tage später fand er einen kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher neben dem Müllcontainer. Er hatte einen schlechten Empfang, aber das störte Chaz nicht. Eine Woche danach entdeckte er am gleichen Ort einen alten Kartentisch. Chaz verwendete Milchkisten als Stühle für den Tisch sowie als Ablage für die wenigen Kleidungsstücke, die er besaß. Was ihn anging, so hatte er nun alles, was er brauchte.
Als sich Chaz am Morgen des kommenden Tages zum Kaufhaus Wilson’s aufmachte, nieselte es kaum merklich, als er am Marktplatz ankam, goss es in Strömen. Die Straßenlampen waren mit Immergrün umwickelt und mit roten Bögen geschmückt. Die Geschäftsfassade war weihnachtlich dekoriert. Der Friseur hatte in sein vorderes Schaufenster einen winkenden Weihnachtsmann bugsiert, der das spezielle Haarschnitt- und Rasurangebot der Woche anpries.
Als Chaz den Platz in Richtung Kaufhaus überquerte, sah er einige Leute aus der Kirche kommen und zu ihren Autos rennen. Er schlängelte sich zwischen ihnen hindurch, zog die Kapuze seines Sweatshirts über den Kopf und eilte zum Eingang vom Wilson’s.
Innen drängten sich die Menschen, aber das warunmittelbar vor Thanksgiving zu erwarten gewesen. Chaz zog sein Sweatshirt aus und fuhr sich mit den Fingern durch die nassen Haare.
»Guten Morgen«, sagte eine Verkäuferin hinter einem Stapel von Damenpullovern auf ihren Armen. »Kann ich Ihnen helfen, etwas zu finden?«
»Mr. Wilson hat mir gesagt, dass ich heute Morgen kommen soll, um Personalunterlagen für die Stelle auszufüllen, auf die ich mich beworben habe.«
»Das Personalbüro liegt oben, gleich hinter der Lederwarenabteilung die Treppe hinauf.«
Der Pulloverstapel fiel auf den Boden, aber Chaz bemerkte es nicht. Er ging an der Verkäuferin vorbei zu dem schmalen Treppenaufgang.
Das Kaufhaus war alt. Chaz schätzte, dass es Anfang der 1950er-Jahre gegründet worden war. Aber im Laufe der Zeit war viel umgebaut worden. Der Boden des Eingangsbereichs, wo die Kosmetik- und Schmuckabteilung untergebracht war, war weiß gekachelt. Über jedem Stand hingen übergroße beleuchtete Sterne und anderer Weihnachtsschmuck von der Decke.
Die Herren- und die Damenabteilungen lagen zu beiden Seiten des Mittelgangs und waren mit Teppichböden in Weinrot und Grün ausgelegt. Im hinteren Bereich befand sich die Schuh- und Handtaschenabteilung und die zum Büro führende Treppe.
Chaz nahm je zwei Stufen auf einmal zu dem kleinen Büro. Dort saß eine Frau in einem roten Pullover, der mit grünsilbernen Perlen und Pailletten bestickt war. Sie telefonierte. Auf ihrem Schreibtisch stand einkleines Schild, auf dem JUDY LUITWEILER zu lesen war.
»Entschuldigen Sie«, sagte sie, als sie den Hörer auflegte. »Meine Tochter kann jeden Tag ihr Baby bekommen, und ich rufe sie regelmäßig
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