Das Weihnachtsversprechen
an. Sie wissen schon, eine besorgte Großmutter!«
Sie fuhr mit den Händen durch die Luft, und Chaz versuchte zu lächeln, aber er war zu nass, um wirklich darauf eingehen zu können.
»Ich soll heute zu arbeiten anfangen. Mir wurde gesagt, dass ich hier heraufkommen soll, um die Unterlagen auszufüllen.«
»Ja, sicher«, sagte Judy und zog hinter ihrem Schreibtisch eine metallene Schublade mit Akten auf. »Wie heißen Sie?«
»Chaz McConnell.«
Judy stöberte in den Akten wie ein Eichhörnchen nach einer Nuss. »Und in welcher Abteilung werden Sie arbeiten?«
»Security.«
»Ja, gewiss«, nickte sie und zog eine Mappe aus Manilapapier aus dem Schrank. »Haben Sie Kinder?«, fragte sie, während sie die Unterlagen zusammenstellte und sie Chaz herüberreichte. »Wir haben es gern, wenn Kinder hier sind.«
»Nein, das habe ich nicht.«
»Guten Morgen, Chaz.« Marshall Wilson kam aus dem hinter Judys Arbeitsplatz liegenden Büro heraus. Er trug Jeans und ein Baumwollhemd. »Wie geht es Ihnen, mein Sohn?«
Seit Jahren hatte Chaz niemand mehr Sohn genannt, und das Wort kam ihm merkwürdig vor.
»Gut. Und Ihnen?«
»Besser, als ich es in meinem Alter verdiene, da bin ich mir sicher«, antwortete Marshall. »Haben Sie eine Bleibe gefunden?« Chaz nickte. »Wir bereiten uns auf ein lebhaftes Weihnachtsgeschäft vor, deshalb sind wir froh, dass Sie hier sind.«
»Sie müssen Chaz sein.«
Chaz drehte sich um und sah einen dunkelhäutigen Mann, der sich in das schon fast überfüllte Büro zwängte. Er trug eine dunkle Hose und ein graues Hemd, an dessen linker Brustseite ein Ausweis befestigt war. Der Mann streckte seine Hand aus, und Chaz wischte seine an seiner Jeans ab, bevor er sie schüttelte. »Ich bin Ray Burroughs. Ich werde Sie ausbilden.«
Chaz musterte ihn. Ray hatte etwa seine Größe, war jedoch möglicherweise etwas schwerer. Er wusste, dass er in der Uniform genauso idiotisch aussehen würde wie Ray.
»Kommen Sie mit runter ins Securitybüro. Da können Sie die Formulare ausfüllen und bekommen etwas Trockenes zum Anziehen.«
Chaz folgte Ray, der zwei Treppenabsätze zum Pausenraum hinunterlief. Sein Ausbilder zeigte auf die Stempeluhr an der Wand. »Stempeln Sie hier, wenn Ihre Schicht beginnt.«
Er nahm eine Karte, auf der Chaz’ Name stand, und gab sie ihm, damit dieser sie abstempeln konnte. Dabei blickte er auf Chaz’ durchweichte Schuhe.
»Sind Sie zu Fuß hergekommen?«
»Ja.«
»Haben Sie kein Auto?«
»Ich hatte eins. Vor ein paar Monaten wurde es gestohlen.«
Die Wahrheit war, dass Chaz in einer anderen Stadt, in der er vorher gewohnt hatte, bei einem Mann einen kleinen Betrag an Spielschulden gemacht hatte, woraufhin dieser das Auto als Bezahlung an sich nahm. Chaz war das gleichgültig gewesen, weil er fand, dass es ohnehin schrottreif war.
»Werden Sie jeden Tag zu Fuß zur Arbeit kommen?«, fragte Ray. »Ja.«
»Dann schaffen Sie sich am besten einen Regenschirm an.«
Der obere Teil der Bürotür bestand aus Milchglas. In der Mitte des Fensters stand in schwarzen Druckbuchstaben »Security«. Sie traten ein. Die Ziegelsteinwände waren cremefarben gestrichen. Auf einem großen Schreibtisch in der Mitte des Raumes standen vier Videomonitore, die Aufnahmen von einzelnen Abteilungen des Kaufhauses zeigten. Ray wies auf ein schwarzes Vinylsofa an der Wand.
»Sie können sich da hinsetzen, wenn Sie wollen, oder dort an den Schreibtisch. Es ist egal.«
Chaz blickte zu dem mit Unterlagen, Akten und Tassen mit abgestandenem Kaffee bedeckten Schreibtisch und entschied sich für die Couch. Ray setzte sich auf den hölzernen Drehstuhl am Schreibtisch und lehntesich zurück. Die Federung unter ihm ächzte.
»Also, ich habe gehört, dass Mr. Wilson Sie von einem anderen Kaufhaus abgeworben hat?«
»Das stimmt«, bestätigte Chaz und begann, seine Papiere auszufüllen.
»Wie lange haben Sie dort für den Sicherheitsbereich gearbeitet?«
»Gar nicht«, erwiderte Chaz. »Ich habe die Borde aufgefüllt.«
»Wie kommt es dann, dass Sie für den Sicherheitsbereich eingestellt wurden?«
Chaz hatte in einer eine Stunde entfernt liegenden Stadt gewohnt, als er Marshall Wilson kennenlernte. Zum ersten Mal in seinem Leben arbeitete er in einem Einzelhandelsgeschäft anstatt als Kellner oder Koch in einem Restaurant. Chaz stand auf einer Leiter und stapelte gerade Männerjeans in die bis zur Decke reichenden Regalfächer, als Marshall Hilfe brauchte. Aber Chaz achtete nicht auf ihn.
Weitere Kostenlose Bücher