Das wilde Herz der Highlands
die sie gerade schon bemerkt hatte. Nur das Haar, das sich in langen, von Grau durchsetzten Locken über Duncans Arm ergoss, ließ darauf schließen, dass es sich um eine Frau handelte. Das verschandelte Gesicht gab nichts dergleichen preis.
Falls Lady Wildwood auch nur etwas von dem Liebreiz ihrer Tochter besaß, so war jetzt nichts davon zu entdecken. Ihr Gesicht war aufgedunsen, die Haut mit blauen Flecken übersät und die Unterlippe aufgeplatzt. Ihre Nase war so stark geschwollen, dass Seonaid mutmaßte, sie sei gebrochen. Bei jedem vorsichtig gesetzten Schritt Duncans wimmerte die Frau und zuckte zusammen, was davon kündete, dass es um ihren Leib nicht besser bestellt war. Die Reise musste die Hölle für sie gewesen sein.
Seonaids Blick ging von dem übel zugerichteten Gesicht der Dame zu Duncan, und sie schluckte sämtliche Fragen, die ihr auf der Zunge lagen. Ihr Bruder schäumte vor Wut. Trotzdem konnte Seonaid ihre Neugier nicht lange bezwingen und hielt ihren Vater, der Duncan gerade die Treppe hinauffolgen wollte, am Arm fest. „Ist das Ilianas Mutter?“, fragte sie nach einem Moment des Zögerns. „Janna sagte, sie sei es.“
„Aye“, beschied er schroff, offenbar vom selben Zorn gepackt wie Duncan.
„Was ist mit ihr geschehen?“
„Greenweld“, stieß ihr Vater angewidert hervor. „Hat sie misshandelt, dieser englische Hund. Sie ist geflohen, weil sie um ihr Leben gebangt hat.“
„Und sie hat den weiten Weg hierher auf sich genommen?“ Seonaid war erstaunt. Gewiss hätte es in England einen Ort gegeben, an dem sie hätte Zuflucht suchen können. Wieso war sie bis nach Schottland gekommen?
„Durch Iliana ist sie eine der unseren“, beschied er grimmig. „Sie weiß, dass wir sie vor diesem Bastard von Gemahl schützen und sie niemals aushändigen werden, sollte er sie zurückfordern.“ Er wandte sich ab und folgte den anderen hinauf in den Wohnturm.
Nachdem sich das Portal geschlossen hatte, kam Seonaid der Burghof ungewöhnlich still vor.
„Vielleicht solltet ihr beiden heute schon aufbrechen“, sagte Allistair leise, und Seonaid schaute vom geschlossenen Portal zu ihm.
„Aye“, pflichtete Aeldra ihm bei. „Alle sind so sehr durch Ilianas Mutter abgelenkt, dass sie es gar nicht merken würden, wenn wir uns davonmachten.“
Versonnen nickte Seonaid, schüttelte dann jedoch den Kopf. „Nay, wir halten uns an den Plan und reiten morgen. Vermutlich fällt ihnen unsere Abwesenheit auch morgen nicht auf. Dass Lady Wildwood von Greenweld derart misshandelt wurde, wird alle einige Tage lang beschäftigen.“
„Hm.“ Finster starrte Allistair das geschlossene Portal an und schüttelte den Kopf. „Verfluchtes Pack, diese Engländer. Was für feige Hunde sie sind, auf Frauen einzuschlagen.“ Er sah Seonaid durchdringend an, in seinen Augen loderte es. „Sollte Sherwell je ...“
„Wird er nicht“, unterbrach sie ihn fest.
„Genau.“ Aeldra knuffte ihren Bruder, um ihn aus seiner plötzlich so düsteren Stimmung zu reißen. „Er wird Seonaid gar nichts antun können, da sie nicht hier sein wird. Dafür wollen wir ja sorgen, falls du dich erinnerst.“
„Aye. “ Seonaid rang sich ein Lächeln ab. „Er hat zu lange gezaudert, und ich werde nicht Däumchen drehend auf ihn warten.“
Das schien Allistair umso mehr aufzubringen. „Verdammter Dummkopf! Wenn er dich erst einmal zu Gesicht bekommen hat und sieht, wen er da verabsäumt hat zu holen, wird er seine Saumseligkeit bereuen. Dann wird er dir den Hof machen, wirst schon sehen.“
„Oh, natürlich“, entgegnete sie spöttisch und wollte sich in Richtung Übungsplatz aufmachen. „Eine schottische Amazone - welcher Engländer wünscht sich eine solche nicht zum Weibe.“
Allistair packte sie am Arm und drehte sie unsanft zu sich herum, die Miene wie versteinert. Zorn glomm in seinen Augen. „Er hätte dich vor mindestens sechs Jahren holen sollen. Und das wäre auch geschehen, wenn er sich nur ein Mal hierherbequemt und gesehen hätte, wie schön du bist.“
Sie schüttelte leicht den Kopf und wollte sich abwenden, aber er fasste sie am Kinn und zwang sie so, seinem Blick zu begegnen. „Denn du bist schön, Seonaid. Ich weiß, es schmerzt dich, dass er dich verschmäht hat. Es kränkt dich. Du glaubst, etwas stimme nicht mit dir und aus diesem Grund habe er gezaudert. Ich habe dich beobachtet und gesehen, dass es dir zusetzt.“
Peinlich berührt senkte sie den Blick. Der Schmerz und die Scham, von denen
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