Flitterwochen auf Dream Island
1. KAPITEL
“Bitte, Rafe, tu es für mich. Ich gelte als äußerst zuverlässig und möchte mir nicht meinen guten Ruf verderben.” Rafe seufzte. Wenn Les ihn um einen solchen Gefallen bat, musste er wirklich verzweifelt sein. Da sie lange Zeit als Fotografen zusammengearbeitet hatten, wusste Les ganz genau, dass er nichts mehr hasste als Hochzeiten. Les gefiel die gefühlvolle, romantische Atmosphäre, in der Braut, Bräutigam und Gäste diesen bedeutsamen Tag erlebten. Doch ihm ging das alles auf die Nerven: die Vorbereitungen und auch die vielen Küsse, Tränen und Umarmungen nach der Trauung. Für weinende Frauen hatte er noch nie viel übrig gehabt.
Außerdem blieb ihm bei einem solchen Auftrag nur sehr wenig Spielraum, kreativ zu sein. Schließlich ging es nur darum, jeden Moment dieses denkwürdigen Tages festzuhalten. Als Perfektionist hatte er es gehasst, von so unsicheren Faktoren wie dem Wetter, ungünstigen Lichtverhältnissen oder einer unfotogenen Braut abhängig zu sein. Deshalb liebte er seine Arbeit als Modefotograf für exklusive Zeitschriften. Dort hatte er alles unter Kontrolle: den Ort, das Licht und auch die Models.
“Ich vermute, es gibt niemand anders, den du fragen könntest”, sagte er resigniert.
“Die Hochzeit findet am Samstag in genau zwei Wochen statt”, erwiderte Les. “Und du weißt, dass alle Leute samstags heiraten wollen. Mit Sicherheit sind sämtliche guten Fotografen in Sydney schon ausgebucht.”
Rafe seufzte erneut. “Natürlich. Also, was genau soll ich tun?”
“Die Braut wird heute Mittag um zwölf Uhr in dein Atelier kommen.”
Rafe blickte auf die Uhr. Es war sieben Minuten vor zwölf. “Und wenn ich ablehnen würde?”
“Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann”, sagte Les überzeugt. “Du bist zwar ein ziemlicher Draufgänger, was Frauen angeht, aber auch ein guter Freund.”
Rafe schüttelte den Kopf über das zweifelhafte Kompliment. Natürlich hatte er im Laufe der Zeit einige Freundinnen gehabt. Schließlich war er ein dreiunddreißigjähriger, attraktiver und unverheirateter Mann, der den ganzen Tag schöne Frauen fotografierte. Viele seiner Models waren ebenfalls alleinstehend. Und da er sehr leidenschaftlich war und sich viele der Frauen nicht abgeneigt zeigten, hatte er fast immer irgendeine Beziehung.
Doch Rafe war kein Draufgänger. Wenn er eine Freundin hatte, war er ihr treu und log sie nicht an. Er wollte nur nicht heiraten oder eine Familie gründen. Rafe konnte nichts Schlimmes daran finden, doch in den Augen vieler Menschen schien das geradezu ein Verbrechen zu sein. Er wünschte, seine verheirateten Freunde, wie zum Beispiel Les, würden mehr Verständnis dafür aufbringen, dass nicht jeder im Leben dieselben Wünsche und Ziele hatte.
“Also gut, ich tue dir den Gefallen. Aber bitte gib mir noch die wichtigsten Informationen durch, bevor die Braut kommt. Ich möchte nicht als völliger Idiot dastehen”, sagte er ein wenig ungeduldig.
“Sie heißt Isabel Hunt, ist etwa dreißig Jahre alt, blond und wunderschön.”
“Deiner Meinung nach sind
alle
Bräute schön, Les”, erwiderte Rafe trocken.
“Das sind sie ja auch – zumindest am Tag ihrer Hochzeit. Aber diese Frau ist immer schön. Ich garantiere dir, es wird dir Spaß machen, Miss Hunt zu fotografieren. Übrigens wird die Glückliche Luke Freeman heiraten, den Sohn und Erben von Lionel Freeman.”
“Der Name sagt mir gar nichts. Wer, um alles in der Welt, ist Lionel Freeman?”, fragte Rafe.
“Rafe, du bist wirklich ein Ignorant! Offenbar interessierst du dich nur für gutes Essen und Fotografie. Lionel Freeman war der berühmteste Architekt Sydneys. Er und seine Frau sind vor einigen Wochen bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Also vergiss das nicht, wenn du mit dem Bräutigam sprichst, und sei ein bisschen einfühlsam.”
“Das tut mir leid. Der arme Kerl.” Sein Vater war ebenfalls durch einen Autounfall gestorben. Damals war er, Rafe, erst acht Jahre alt gewesen. Es war eine schwere Zeit gewesen, über die er nicht gern nachdachte.
“Ich höre gerade, dass draußen ein Auto vorfährt, wahrscheinlich ist es die Braut. Hoffentlich ist sie am Tag der Hochzeit genauso pünktlich. Wie sieht es mit der Bezahlung aus, Les? Was für ein Honorar bekommt man dafür, wenn man auf einer Hochzeit fotografiert?”
“Ein wesentlich geringeres, als du normalerweise verlangst, fürchte ich. Du wirst dich leider mit dem zufriedengeben müssen, was ich mit der
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