Daughter of Smoke and Bone
Langurenaffen wurden hier nicht als Haustiere verkauft, sondern als
Essen
. Die Mutter eines der Metzger – eine äußerst unangenehme alte Schrulle – sammelte Zähne in einer Graburne, und Karou musste sie alle paar Monate abholen und den Handel mit einem Schluck Reiswein besiegeln, der ihr den Magen umdrehte.
Mittwoch: Nordkanada. Zwei athapaskische Jäger, eine übelkeiterregende Ladung Wolfszähne.
Donnerstag: San Francisco, eine junge, blonde Herpetologin mit einem Vorrat an Klapperschlangenfängen, die von ihren bedauernswerten Versuchsobjekten übrig geblieben waren.
»Sie könnten auch selbst in den Laden kommen«, erklärte Karou ihr gereizt, weil sie am nächsten Tag ein Selbstporträt abgeben musste und die Stunden, die sie hier vertrödelte, gut hätte brauchen können, um es zu perfektionieren.
Es gab verschiedene Gründe dafür, dass manche Händler nicht in den Laden kamen. Manche hatten das Privileg durch schlechtes Benehmen verloren; andere hatten sich noch nicht der Sicherheitsprüfung unterzogen; viele hatten einfach Angst, sich eine Schlange um den Hals legen zu lassen, was in diesem Fall nicht das Problem sein sollte, da die Wissenschaftlerin freiwillig jeden Tag mit Schlangen zu tun hatte.
Die Herpetologin schauderte. »Ich war einmal da. Ich dachte, die Schlangenfrau bringt mich um.«
Karou unterdrückte ein Lächeln. »Ah.« Das verstand sie nur zu gut. Issa mochte keine Reptilientöter und hatte ihre Schlangen schon des Öfteren dazu beschworen, sich besonders fest um deren Hälse zu schlingen, wenn ihr danach war. »Okay.« Karou zählte die angemessene Menge Zwanziger ab und legte sie auf den Tisch. »Aber wenn Sie in den Laden kommen, gibt Brimstone Ihnen Wünsche, die viel mehr wert sind als das hier.« Zu ihrer Verbitterung durfte Karou die Wünsche nicht in seinem Namen verteilen.
»Vielleicht nächstes Mal.«
»Wie Sie wollen.« Karou zuckte die Schultern und verabschiedete sich. Als sie durch das Portal in Brimstones Laden zurückkehrte, sah sie auf der Oberfläche der Tür einen schwarzen Handabdruck. Sie wollte Brimstone darauf aufmerksam machen, aber ein Händler war bei ihm, und sie hatte Hausaufgaben zu erledigen, also machte sie sich auf den Weg nach Hause.
Nachdem sie die halbe Nacht an ihrem Selbstporträt gearbeitet hatte, war sie am Freitag todmüde und hoffte inständig, Brimstone würde nicht wieder nach ihr schicken. Normalerweise hatte er in einer Woche nicht mehr als zwei Aufträge für sie, und in dieser waren es schon vier gewesen. Während sie am Morgen Wiktor mit nichts als einer Federboa bekleidet zeichneten – ein Anblick, den Zuzana fast nicht überlebt hätte –, behielt Karou das Fenster im Auge. Den ganzen Nachmittag über hatte sie die Befürchtung, dass Kishmish plötzlich auftauchen würde, aber er kam nicht. Als sie nach der Schule nach draußen kam, nieselte es, und so stellte sie sich unter einen Dachvorsprung, um auf Zuzana zu warten.
»Na so was«, sagte ihre Freundin, als sie sie sah. »Eine
Karou
! Seht genau hin, Leute, diese Kreatur kriegt man heutzutage nur noch sehr selten zu Gesicht.«
Karou hörte den kühlen Spott in ihrer Stimme. »Gift?«, schlug sie hoffnungsvoll vor. Nach der Woche, die sie hinter sich hatte, wollte sie ins Café gehen, auf die Couch sinken, quatschen und lachen und zeichnen und Tee trinken und endlich mal wieder normal leben.
Zuzana zog eine Augenbraue hoch. »Wie jetzt? Keine
Aufträge
?«
»Nein, Gott sei Dank nicht. Komm schon, mir ist kalt.«
»Ich weiß nicht, Karou. Vielleicht habe
ich
heute einen geheimen Auftrag.«
Karou kaute auf der Innenseite ihrer Wange herum und überlegte, was sie sagen sollte. Sie fand es schrecklich, dass Brimstone ihr Sachen verheimlichte, und noch schlimmer, dass sie das Gleiche mit Zuzana machen musste. Was war das für eine Freundschaft, die auf Ausreden und Lügen basierte? Als Kind war es ihr so gut wie unmöglich gewesen, Freunde zu haben – die ewigen Lügen waren ihr immer in die Quere gekommen. Damals war es sogar noch schlimmer gewesen, weil sie im Laden gelebt hatte – Freunde zu sich nach Hause einzuladen, konnte sie da natürlich vergessen. Jeden Morgen hatte sie den Laden durch das Portal nach Manhattan verlassen, um in die Schule und danach zu ihrem Karate- und Aikido-Unterricht zu gehen, und jeden Abend war sie dorthin zurückgekehrt.
Das Portal war hinter einer mit Brettern verschlagenen Tür eines verlassenen Gebäudes im East Village, und in
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