Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
gerissene Marla für einen Moment zum Vorschein kam.
»Okay, wie du willst. Aber ich dachte, du wolltest gern mal hier raus.«
»Und wohin?«
»Nach oben.«
»Jemand könnte mich sehen«, sagte sie in einem Tonfall, als spräche sie mit einer Schwachsinnigen.
»Du kannst die Vorhänge geschlossen lassen, aber es wäre doch zumindest nicht so …«
»Wie in einer Zelle?«, fragte Marla, ohne die Lippen zu bewegen.
»Ja. Wie in einer Zelle. Morgen besorge ich Reinigungsmittel, dann machen wir sauber. Etwas Mobiliar ist ja schon vorhanden.«
Marla schnaubte verächtlich, und ihr Blick schweifte zurück zu einer in einem fensterlosen Haus eingesperrten Gruppe. Tja, das konnte Marla wohl gut nachvollziehen.
»Sieh mal, ich habe dir was zu essen mitgebracht.« Elyse hielt ihr eine weiße Papiertüte entgegen. »Ein Hamburger, ich habe ihn besorgt, bevor ich zum Haus fuhr. Tut mir leid, dass er schon kalt ist, aber hinterher wollte ich nicht mehr anhalten.«
»Zum Haus?« Plötzlich war Marlas Interesse erwacht, wogegen der Hamburger sie offenbar nicht im Geringsten reizte.
»Ja, das Haus. Auf dem Mt. Sutro.« Sie trat näher an den Sessel heran, beugte sich herab und flüsterte in Marlas Ohr:
»Heute Abend habe ich Eugenia umgebracht. Wie wir es geplant haben. O Gott … es war … perfekt. Sie hat mich sogar erkannt, die alte Hexe.«
»Du hast Eugenia umgebracht? Als Erste?« Marla ignorierte die Tüte in ihrem Schoß und sah Elyse wütend an.
» So hatten wir es nicht geplant.«
»Hey! Die Gelegenheit war günstig, okay? Und ich habe sie beseitigt. Ich verstehe nicht, welchen Unterschied es macht, wann oder wie sie sterben, solange sie eben sterben!«
»Du kleine …«
»Lass es«, warnte Elyse. »Ich habe für dich meinen verdammten Hals riskiert, da könntest du wenigstens Interesse zeigen oder ›danke‹ sagen oder ›gut gemacht‹, aber nein. Hör gut zu, versuch nur nicht, mich kleinzumachen. Das lasse ich mir nicht gefallen.«
»Wir sind ganz schön reizbar, wie?«, knurrte Marla.
»Ja, sind wir. Wir beide! «
Marla nahm sich zusammen. »Schon gut«, sagte sie gedehnt. »Ich wollte dich nicht anfahren. Ich bin es nur so verdammt satt, hier eingesperrt zu sein.«
»Das wird sich bald ändern.«
»Nicht bald genug.«
Elyse schob sich frustriert das Haar aus dem Gesicht. Das Problem mit Marla war ihre verdammte Launenhaftigkeit. »Hör zu, es tut mir leid. Ich hätte es dir sagen sollen, aber ich musste rasch handeln, als ich hörte, dass Eugenia allein zu Hause sein würde. Verdammt, es ist eben nicht so einfach, verstehst du?«
»Für mich ist es auch nicht einfach. Ich war schließlich im Gefängnis, und jetzt … jetzt sitze ich hier fest.«
»Du wusstest, dass du dich für eine Weile bedeckt halten musst.«
Marla runzelte die Stirn, widersprach jedoch nicht, Gott sei Dank. »Ich glaube, ich brauche nur etwas Zeit, um mich einzugewöhnen.«
»Ja, nun, ich auch. Mach schon, iss etwas und schau fern …«, sie warf einen Blick auf die Mattscheibe, »… was immer das hier für eine Sendung sein mag.«
»Hausarrest.«
»Perfekt.«
Marla lachte über die darin enthaltene Ironie.
»Ich komme wieder. Morgen oder übermorgen, wann immer ich mich freimachen kann, dann bringe ich die Sachen mit, die wir zu deiner Tarnung brauchen. Und dann kannst du es wagen, wieder auszugehen. Wie findest du das?«
»Schon besser«, stimmte Marla zu. Die Fernsehshow wurde durch irgendeine Bierwerbung unterbrochen. »Wenn du das nächste Mal kommst, achte darauf, dass das Essen wenigstens noch lauwarm ist.«
»Klar.«
Als Elyse ging, fragte sie sich, warum sie sich überhaupt mit dieser Zicke abgab.
Wegen des Geldes, hast du das vergessen? Das Cahill-Vermögen? Du musst sie nur noch eine kleine Weile ertragen. Sie ist dein Fahrschein zum Reichtum.
Aber du hast recht: Sie ist eine Zicke ersten Grades.
Damit musst du leben.
Das Herz klopfte ihr bis zum Halse, als Cissy ihren achtzehn Monate alten Jungen suchte. Bitte, ihm darf nichts passiert sein. Bitte!
»Beejay? Schätzchen? Wo bist du?« Angst pochte in ihren Schläfen, Dutzende grauenhafter Szenarien rasten an ihrem inneren Auge vorbei, während Cissy das Grundstück ihrer Großmutter absuchte. Ihr Blick streifte das Gestrüpp, forschte in der Dunkelheit. Mit Macht setzte der Regen wieder ein.
Und wenn sie ihn nicht fand?
Wenn er irgendwie durch die Gitterstäbe des Tors geschlüpft war?
Er war so klein … so unschuldig.
Lieber Gott, lass
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