Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
Prolog
Bayside Hospital
San Francisco, Kalifornien
Zimmer 316
Freitag, 13. Februar
JETZTZEIT
Sie glauben, dass ich sterben werde.
Ich entnehme es ihrem Flüstern.
Sie glauben, ich könnte sie nicht verstehen, aber ich höre sie, und ich lausche auf jede einzelne Silbe, die sie von sich geben.
»Nein!«, will ich schreien. »Ich lebe. Ich gebe nicht auf. Ich werde mich wehren.«
Aber ich kann nicht sprechen.
Bekomme nicht ein einziges verdammtes Wort heraus.
Meine Stimme ist tonlos, meine Augen wollen sich nicht öffnen. Sosehr ich mich anstrenge, ich kann die Lider nicht heben.
Ich weiß nur, dass ich in einem Krankenhausbett liege, und ich weiß, dass ich gerade noch am Leben bin. Ich höre das Flüstern, die Bemerkungen, die Schritte weicher Sohlen auf dem Fußboden. Alle meinen, ich läge im Koma, wäre nicht fähig, sie zu hören, zu reagieren, aber ich weiß, was vor sich geht. Ich kann mich nur nicht bewegen, nicht kommunizieren. Irgendwie muss es mir gelingen, sie darauf aufmerksam zu machen. Sie behaupten, mein Zustand wäre höchst bedenklich. Ich verstehe Begriffe wie Milzriss, Beckenbruch, Gehirnerschütterung, Hirntrauma, aber, verdammt noch mal, ich kann sie doch hören! Ich spüre die Haut auf meinem Handrücken, wo die Kanüle steckt, rieche Parfüm, Medizin und Resignation. Das Stethoskop ist eiskalt, die Manschette des Blutdruckmessgeräts zu eng, und ich strenge mich höllisch an, ihnen durch irgendein Zeichen verständlich zu machen, dass ich bei Bewusstsein bin, dass ich fühlen kann. Ich versuche, mich zu bewegen, will nur einen Finger heben oder ein Stöhnen von mir geben, aber ich kann es einfach nicht.
Das macht mir Todesangst.
Ich bin an Maschinen angeschlossen, die meinen Herzschlag und meine Atmung und Gott weiß was noch alles steuern. Nicht, dass es etwas nutzen würde. All diese Hightechmaschinen, die Körperfunktionen aufzeichnen, liefern dem Klinikpersonal keinen Hoffnungsschimmer, keinen Hinweis darauf, dass ich weiß, was hier vor sich geht.
Ich bin in meinem Körper gefangen, und es ist die Hölle auf Erden.
Noch einmal biete ich alle Kräfte auf … konzentriere mich darauf, den Zeigefinger meiner rechten Hand anzuheben, auf denjenigen zu zeigen, der als Nächster durch die Tür tritt. Hoch, denke ich, heb die Fingerspitze von der verdammten Bettdecke. Die Anstrengung ist schmerzhaft … so schwer.
Achtet denn niemand auf den verdammten Monitor? Er muss doch einen erhöhten Puls, beschleunigten Herzschlag, irgendwas anzeigen!
Aber nein.
All die Mühe. Vergebens.
Schlimmer noch, ich habe ihr Gerede gehört; ein paar Krankenschwestern sind der Meinung, es wäre besser für mich, tot zu sein … Aber sie kennen die Wahrheit nicht.
Ich höre Schritte. Schwerer als die üblichen. Und jetzt weht schwacher Zigarrenduft herüber. Der Arzt! Er war schon einmal hier.
»Dann wollen wir mal schauen, ja?«, sagt er zu der Person, die ihn begleitet, vermutlich die Schwester mit den kalten Händen und der nervtötend munteren Stimme.
»Sie reagiert nach wie vor nicht.« Klar doch, die Muntere.
»Ich habe keinerlei Veränderungen zum Positiven feststellen können. Vielmehr … Nun, sehen Sie selbst.«
Was meint sie damit? Und warum klingt ihre Stimme so resigniert? Wo ist ihre gespielte Lebhaftigkeit geblieben?
»Hmmm«, sagt der Arzt mit seiner Baritonstimme. Dann liegen seine Hände auf mir. Er berührt mich sanft, zieht mein Augenlid hoch und leuchtet mit einem grellen Strahl direkt in meine Pupille. Es blendet, und mein Körper muss doch irgendeine Reaktion zeigen. Ein Blinzeln oder Zucken oder …
»Anscheinend haben Sie recht«, sagt er, schaltet das Licht wieder aus und tritt vom Bett zurück. »Sie baut rapide ab.«
Nein! Das stimmt nicht. Ich bin da. Ich lebe. Ich werde wieder gesund!
Ich kann nicht glauben, was ich da höre, und müsste bei diesen Worten eigentlich hyperventilieren, einen Herzstillstand erleiden. Seht ihr denn nicht, dass ich unter Stress stehe? Zeigen die verdammten Monitore nicht, dass ich lebe und bei Bewusstsein bin und weiterleben will? O Gott, wie sehr ich leben will!
»Die Familie hat nachgefragt«, drängt die Schwester, »wie lange es noch dauern wird.«
Meine Familie? Sie haben mich schon abgeschrieben? Das kann nicht sein! Ich glaube es nicht. Ich lebe noch, um Himmels willen! Wie konnte es so weit kommen? Nun, ich weiß schon, wie. Allzu lebhaft erinnere ich mich an jeden Augenblick meines Lebens und an die Ereignisse, die zu
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