Deadwood - Stadt der Särge
öffnete den Mund, doch er war einfach nicht in der Lage, auch nur ein Wort zu sagen. Das sprach ich. »Verloren Grey Man!«
»Nein, nein!« Es brach aus ihm hervor. »Noch lebe ich, verdammt. Der Satan läßt mich nicht…«
»Was ist das für ein Leben, Grey Man? Sag es mir. Es ist ein Vegetieren. Die Hölle kennt keine Dankbarkeit. Aber ich werde dir einen Gefallen erweisen. Du hattest schon damals Angst vor dem Kreuz, heute siehst du es noch einmal vor dir. Es wird der letzte Gegenstand sein, den du in deinem unseligen Leben siehst. Du hast weder Jane Collins noch mich töten können…«
Ich ließ das Kreuz fallen!
Er wollte seinen Kopf noch zur Seite drehen, aber er war einfach zu langsam. Das Kreuz klatschte in sein Gesicht. Ich hatte die Kette nicht losgelassen, sie war lang genug, und die eine kurze Berührung hatte auch ausgereicht.
Für die Länge eines Atemzugs sah ich genau den Abdruck des Kreuzes auf seinem Gesicht, sah die Angst abgebildet und wußte, daß der Teufelsdiener wahnsinnige Schmerzen verspüren mußte. Die waren einen Moment später vorbei!
Ich zuckte zurück, denn aus seiner Stirn schoß plötzlich eine gebündelte Feuerlohe, die fast noch meine Gesichtshaut gestreift hätte. Sie fiel schnell wieder zusammen, und als ich noch einmal hinschaute, gab es den Grey Man nicht mehr.
Seine Überreste hatten sich mit dem Staub der Main Street vermischt… Ich drehte mich sofort um, denn Jane Collins war auf sich allein gestellt. Hoffentlich hatte sie es geschafft, sich von der verdammten Schlinge zu befreien.
Kaum war ich einen Schritt gegangen, als ich Schüsse hörte. Sie stammten aus einer Beretta. Jane hielt sie mit beiden Händen fest, lehnte an einer Hausecke, wurde vom tanzenden Widerschein der Flammen umspielt, hatte ihr Gesicht verzerrt und feuerte auf die Gestalten, die sie angreifen wollten.
Sie traf auch.
Ich rief sie an.
Jane ließ die Waffe sinken, schaute in meine Richtung und rannte mir mit wankenden Schritten entgegen.
Inzwischen hatte Susan Crane die Wagentür aufgerissen. »Steigt ein!« brüllte sie. »Wir können noch fahren.« Der Motor lief bereits, und sie wollte schon zurücksetzen.
Ich packte Jane und schob sie förmlich in den Wagen. Ein gewaltiges Brausen fuhr über den Ort. Ein Sturm peitschte die Flammen voran. Das Feuer breitete sich aus, da es reichlich Nahrung fand. Die von der Sonne ausgedörrten Häuser brannten im Nu lichterloh. Es würde nicht einmal mehr eine Minute dauern, dann stand ganz Deadwood in Flammen.
Ich knallte die Tür zu.
Kaum befand ich mich im Wagen, als Susan schon startete. Zuerst fuhr sie zurück, dann knüppelte sie den Vorwärtsgang ins Getriebe und raste davon.
Sie wäre immer weiter gefahren, hätte ich nicht vor der ersten Kurve meine Hand auf ihre Schulter gelegt. Sie bemerkte dieses Zeichen und drehte sich um.
Susan stoppte. Der Wagen stand kaum, als ich schon die Tür öffnete und ausstieg.
Wir hatten es noch vor der großen Kurve geschafft. Ich schaute zurück und sah nicht nur eine brennende Stadt, sondern auch einen gewaltigen Feuersturm unter dem glatten Blaugrau des Himmels. Der Teufel vernichtete das, was ihm nichts mehr wert erschien. Deadwood würde bald nur noch Erinnerung sein.
Jemand trat neben mich. Es war Jane Collins, die sich ihren schmerzenden Hals hielt. Sie konnte kaum sprechen, ich hatte Mühe, ihre Worte zu verstehen.
»Diesmal war es knapp, John!«
Ich grinste, legte zwei Finger unter ihr Kinn und hob den Kopf ein wenig an. »Nicht nur knapp, meine Liebe, sondern halsscharf…«
Der Witz gefiel ihr nicht. »Ich weiß, John. Wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung, nicht wahr?«
»So ähnlich.«
Wir stiegen wieder ein. Diesmal saß ich am Steuer, da Susan Crane am ganzen Leib zitterte. Ich startete den Geländewagen, schaute in den Rückspiegel und sah das tanzende Flammenmeer. Eine letzte Erinnerung an Deadwood.
Hinter der ersten Kurve hatte ich die Stadt des Teufels bereits aus meinem Gedächtnis gestrichen…
ENDE
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