Deathkiss - Suess schmeckt die Rache
der Mann wie in Zeitlupe ein letztes Mal versuchte, seine Fesseln zu zerreißen, Seile aus Naturfaser, die zu Asche zerfallen und der Polizei keinen Anhaltspunkt bieten würden, da sie aus dem gleichen Material bestanden wie die Kleidung des Opfers. Nichts würde darauf hindeuten, dass der Mann gefesselt und an den Baum gebunden worden war, und selbst die Droge würde schon bald nicht mehr nachweisbar sein.
Er trat noch ein paar Schritte zurück, um sein Opfer durch die höher werdende Wand knisternder, gieriger Flammen hindurch zu betrachten. »Das war’s«, sagte er mit tiefer Befriedigung. »Du bist ein toter Mann.«
1.Kapitel
Drei Jahre später
H ilfe!«, schrie sie, doch ihre Stimme versagte.
Von Angst getrieben, rannte sie mit bleischweren Beinen durch den Rauch und die Hitze. Rings umher tobte der Waldbrand. Sengende Höllenflammen loderten zum Himmel auf. Der Rauch war so dicht, dass er ihr fast den Atem verschlug, und der Brandgeruch stach in ihrer Nase. Ihre Lunge brannte. Ihre Augen tränten, die Haut warf Blasen.
Überall um sie herum stürzten verkohlte Äste zu Boden, splitterten krachend, während sie weiterlief. Funkenregen prasselte nieder und versengte ihre Haut.
»O Gott!«
Ihr war, als sei sie in den Höllenschlund gestürzt.
»Hilfe«, versuchte sie noch einmal zu schreien, doch kein Laut kam über ihre Lippen. »Bitte, hilf mir doch jemand!«
Aber sie war allein.
Dieses Mal war niemand in der Nähe, um ihr zu helfen.
Auch ihre Brüder, die sonst immer schnell zur Stelle waren, konnten sie jetzt nicht retten.
Oh, lieber Gott.
Lauf, verdammt noch mal! Beweg dich! Raus hier, Shannon! Schnell!
Sie stürzte vorwärts, stolperte, wäre beinahe gefallen, das Feuer eine tobende Bestie mit heißem, stinkendem Atem, die mit knisternden Armen nach ihr griff, sie umfing, ihre Haut verbrannte.
Als sie schon glaubte, sie müsste in den Flammen sterben, wich das Feuer unvermittelt mit einem letzten Fauchen zurück und verschwand. Der schwarze Rauch verwandelte sich in dichten, weißen Nebel, und plötzlich lief sie über Felder voller glühender Asche. In der Luft lag der stechende Geruch von verbranntem Fleisch. Der Boden war eine endlose, ausgedörrte Wüste.
Und überall lagen Knochen.
Aufgetürmte Haufen angekohlter, ausgebleichter Knochen.
Zahllose Gerippe, alle mit Asche bedeckt.
Katzen. Hunde. Pferde. Menschen.
In ihrer Vorstellung nahmen die Skelette die Gestalt ihrer Verwandten an, die Schädel schienen Gesichter zu bekommen. Ihre Mutter. Ihr Vater. Ihr Kind.
Bei dem Gedanken an ihr Kind durchfuhr sie ein heftiger Schmerz.
Nein! Nein! Nein!
Es waren doch nur Skelette.
Niemand, den sie kannte.
Das konnte nicht sein.
Der Geruch nach Tod und dem ausbrennenden Feuer stach ihr in der Nase.
Sie wollte sich abwenden, flüchten, doch sie konnte keinen Schritt tun, ohne über die verstreuten Knochen zu stolpern. Sie stürzte, und unter ihrem Gewicht zerbrachen die Skelette. In Panik, wild um sich schlagend, versuchte sie, sich aufzurappeln, den schaurig knackenden Gerippen zu entkommen.
Rrrring.
Eine Sirene schrillte. Wie aus weiter Ferne.
Ihr Herz machte einen Satz. Da kam jemand!
Sie drehte sich um und sah, wie sich eines der Skelette bewegte, den grotesken, halbverbrannten Kopf wandte, um sie anzusehen.
Fetzen von verkohltem Fleisch hingen von den Wangenknochen, der Großteil des schwarzen Haares war verbrannt, die Augen waren tief in die Höhlen gesunken, doch es waren Augen, die sie erkannte, Augen, denen sie vertraut hatte, Augen, die sie einmal geliebt hatte. Und sie starrten sie an, blinzelten und bezichtigten sie stumm unaussprechlicher Verbrechen.
Nein, dachte sie panisch. Nein, nein, nein!
Wie konnte etwas so Grässliches lebendig sein?
Sie schrie, doch wieder versagte ihre Stimme.
»Ssshannon…«, zischte die Stimme ihres Mannes boshaft. Trotz der Hitze überlief sie eine Gänsehaut. »Ssshannon.« Es war, als würde sein Gesicht Form annehmen, das verkohlte Fleisch sich glätten, sich über die Knochen legen, als würden Nasenknorpel sich bilden, und die eingesunkenen Augen sahen sie starr an.
Sie versuchte noch einmal zu schreien.
Rrrring! Die Sirene. Nein – ein Telefon. Ihr Telefon.
Shannon fuhr hoch. Schweißgebadet und mit wild klopfendem Herzen saß sie aufrecht im Bett. Es war dunkel, sie befand sich in ihrem Zimmer unter dem Dach ihres kleinen Hauses. Überwältigt von Erleichterung schluchzte sie auf. Es war ein Traum. Nur ein Traum. Nein, ein
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