Paul sucht eine Frau
1
Knallblaue Hoden, neonroter Penis – wenn es um die natürlichste Sache der Welt geht, kommen Grüne Meerkatzen gleich zum Thema.
Trifft einer dieser Affen in der weiten afrikanischen Steppe auf ein Weibchen, das seine Hormone in Schwingung bringt, reißt er die Beine auseinander und streckt sein Gemächt hervor. Mehr muss er nicht machen.
Sofort wird dem Weibchen schwindlig und es fällt zu Boden. Aber nur kurz, schnell steht es wieder auf und öffnet ihrerseits ihre Beine. Ganz einfach.
Paul atmet tief durch.
Gedanken sortieren! Er ist kein Affe, und er kämpft auch nicht in der Savanne. Er sitzt im Café Knösel in der Heidelberger Altstadt, vor ihm ein gemischter Eisbecher mit Schirmchen und die bezauberndste Kellnerin, die er jemals gesehen hat. Die schwarzen Haare zum kecken Pagenschnitt frisiert, die braunen Augen rund wie Glasmurmeln, auf dem Mund ein zartes Lächeln – kurzum: Die Kellnerin sieht aus wie Audrey Tautou in der fabelhaften Welt der Amélie.
Jetzt kommt Paul noch das Verhalten von Grünen Meerkatzen beim Kampf um den Platz als Alpha-Männchen in den Sinn. Außerdem erinnert er sich, was sein Professor in der Vorlesung über das Penisvorzeigen der Meerkatzen als Machtmittel gesagt hat. Das Einzige, was ihm nicht einfällt, ist, wie er die Kellnerin ansprechen kann.
»Wie bitte?«
Die Kellnerin beugt sich zu ihm vor, und Paul bemerkt, dass sein Mund offen steht.
»Äh«, sagt er, und vermutet, dass er das eben schon einmal gesagt hat – »äh!« – und dass die bezaubernde Amélie-Kopie ihn deshalb irritiert ansieht.
»Machen Sie sich keine Sorgen!«, schaltet sich Nico in die Unterhaltung ein. »Mein Freund hier wird immer nervös, wenn er mit Frauen spricht.«
Nico sitzt neben ihm, trinkt schon mittags um drei Uhr einen Caipirinha mit Strohhalm, die Sonnenbrille lässig in die Haare geschoben. Und als wäre das nicht genug, fällt Nico ihm jetzt in den Rücken.
»Der Arme!« Die Kellnerin zwinkert Paul zu, wendet sich dann aber an Nico. »Gerade Frauen möchten, dass man viel mit ihnen redet.«
Nun ist es soweit, denkt Paul. Nun machen die beiden sich gemeinsam über ihn lustig.
»Keine Angst«, sagt Nico. »Mein Kumpel hat dieses Problem nur bei besonders gutaussehenden Frauen.«
Jetzt versteckt sich die Kellnerin hinter ihrem Tablett, das sie fest umklammert wie ein Schutzschild vor sich hält. Aber ganz klar: Sie wird rot. Wie macht Nico das nur?
»Dankeschön«, sagt sie leise.
Es entsteht ein Moment peinlicher Stille, in dem Nico die Kellnerin über beide Ohren anstrahlt, die Kellnerin nicht weiß, wo sie hinblicken soll, und Paul mit finsterer Miene zu Nico sieht. Dann fragt sie: »Warum habt ihr mich eigentlich gerufen?«
»Tja, Paul! Warum hast du sie eigentlich gerufen?«
Es macht Nico sichtlich Spaß ihn zu triezen. Dabei war es Nico, der die Kellnerin an den Tisch beordert hat, nachdem Paul gegenüber seinem Freund lediglich eine klitzekleine Bemerkung über ihre Ähnlichkeit zu einer bekannten Filmfigur gemacht hat. Und vielleicht, ganz vielleicht, hat Paul bei der Gelegenheit erwähnt, wie reizend er den Film fand und dass er seit Jahren davon träumt, mit einem Mädchen auszugehen, das wie Amélie Poulain aussieht.
Und das war sein Fehler.
Jetzt sind alle Augenpaare auf ihn gerichtet. Er sammelt sich und öffnete den Mund. So schwer kann es nicht sein, eine Frau mit einem geistreichen Spruch zu beeindrucken. Nico schafft es doch auch. Wer weiß, wann Paul wieder eine Chance wie diese erhält. Was für eine Frau!
Paul nimmt all seinen Mut zusammen und spricht einfach los, sagt, was ihm gerade in den Kopf kommt.
»Äh ...«
»Ist er nicht niedlich?«
* * *
Nachdem er gezahlt hat, löst Paul die Bremse an seinem Rollstuhl und begibt sich vor die Tür. Vor dem Café steht Jenny. Sie raucht und beobachtet Nico und die Kellnerin durch die Scheibe. Jenny ist Nicos Pflegerin, oder besser gesagt »Assistentin«, wie die ambulanten Pflegedienste das neuerdings nennen.
»Und? Macht er sich wieder bei einer Alten zum Affen?«, fragt Jenny, die Kippe im Mundwinkel. Von allen seinen Assistenten und Assistentinnen passt Jenny am besten zu Nico, findet Paul. Sie hat kurzgeschnittene Haare, einen Nasenring und trägt ebenso wie Nico eine überdimensionierte Sonnenbrille.
Paul zuckt mit den Achseln.
»Wenn ich ihm nicht helfe, dann kriegt der eh nix gebacken«, sagt Jenny. »Auch nicht mit den Weibern.«
»Bei dieser Kellnerin hilfst du ihm bitte
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