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Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen

Titel: Deborah Crombie - 05 Das verlorene Gedicht 06 Boeses Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Augenbraue hoch und grinste schief.
      »Meine Ex-Frau.«
     
     

* 2
     
    Ich weiß nur, daß du dort liegst den ganzen Tag und in den Himmel über Cambridge schaust und blumentrunken in schläfrigem Gras auf das kühle Rinnen im Stundenglas horchst, bis die Jahrhunderte verschmelzen und verglimmen, in Grantchester, in Grantchester ...
     
    Rupert Brooke aus >Das alte Pfarrhaus<
     
    Kincaid hielt sich an Vics Wegbeschreibung, verließ die M 9 über die Ausfahrt kurz vor Cambridge und nahm die Grantchester Road, die vom Kreisverkehr abzweigte. Über ihm erstreckte sich der strahlende Himmel von Cambridgeshire weit bis zum Horizont. Der Aprilmorgen war ungewöhnlich mild. Kincaid hatte Gemma vergeblich zu überreden versucht mitzukommen. Statt dessen hatte sie eisern darauf beharrt, mit Toby den angeblich vereinbarten Besuch bei ihren Eltern zu absolvieren. Sie hatten ihr gemeinsames Sonntagsfrühstück eingenommen und aufgeräumt. Kincaid hatte sich an Gemmas Wohnungstür in Islington mit einem Kuß von ihr verabschiedet, ohne daß sich das Unbehagen, das plötzlich zwischen ihnen stand, verflüchtigt hatte. Aber vorerst konzentrierte er sich auf das, was Vic von ihm wollte - das erschien ihm das mindeste, das er um alter Zeiten willen tun konnte -, und er hoffte, daß die Sache damit erledigt sei.
      Er fuhr langsamer, als die ersten verstreut liegenden Häuser auftauchten und die Landstraße in eine gepflegte Dorfstraße mündete. Er bog nach rechts in die High Street ein und hielt nach einem Haus auf der linken Seite Ausschau. »Du kannst es nicht verfehlen«, hatte Vic amüsiert behauptet. »Du wirst schon sehen.« Und im nächsten Augenblick begriff er den Sinn ihrer Worte. Sein Blick fiel auf ein Haus mit buntem Ziegeldach und grell rosarotem Verputz hinter einer ausladenden Rosenhecke.
      Kincaid bog in die Kiesauffahrt vor der alleinstehenden Garage ein, hielt an, stieg aus, und merkte erst jetzt, daß er keine Ahnung hatte, was er zu ihr sagen sollte. Die Fahrt hatte er damit verbracht, seine Erinnerungen an Vic aufzufrischen, hatte überlegt, wie sie gewesen war, als er sie kennengelernt hatte. Ihre Reserviertheit hatte ihn damals gereizt - er hatte sie für scheu gehalten - und er hatte die Ernsthaftigkeit, mit der sie ihr Studium absolvierte, anziehend, ja sogar amüsant gefunden. »Blöder, arroganter Idiot«, schimpfte er laut, und sein Mund zuckte verächtlich. Er hatte seine selbstgefällige Einschätzung ihrer Person damit bezahlt, daß sie ihn ohne ein Wort oder eine Nachricht verlassen hatte. Jetzt waren sie Fremde, mehr denn je, und die Erinnerung an die peinliche Beziehung von damals war eher hinderlich.
      Wie sehr hatte sie sich verändert? Würde er sie überhaupt wiedererkennen?
      Seitlich des Hauses ging eine Tür auf, und seine Befürchtungen verflogen. Ihr Gesicht war ihm vertraut wie sein eigenes. Sie kam auf ihn zu, ihre Turnschuhe knirschten auf dem Kies, und sie nahm seine Hand so selbstverständlich, als hätten sie sich erst gestern in gegenseitigem Einvernehmen getrennt. »Duncan! Vielen Dank, daß du gekommen bist.« Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und betrachtete ihn, ohne seine Hand loszulassen. »Du hast dich wirklich kein bißchen verändert.«
      Kincaid fand nur mit Mühe seine Sprache wieder: »Du auch nicht, Vic. Du siehst großartig aus.« Sie wirkt müde, dachte er, und zu mager, vielleicht ein bißchen kränklich. Ein Netz feiner Linien umgab ihre Augen, und zwischen Nasenflügel und Mundwinkel hatten sich zwei Falten eingegraben. Ihr Haar jedoch, das sie mittlerweile nur noch auf Schulterlänge trug, war noch immer flachsblond, und wenn sie kräftigere Farben trug als die Pastelltöne, an die er sich erinnerte, verlieh ihr das eine Eleganz, die ihr stand.
      »Es ist verdammt lange her«, sagte sie lächelnd. Dabei wurde ihm klar, daß er sie unverwandt angestarrt hatte.
      »Entschuldige. Es ist nur ... Ich weiß nicht recht, was ich sagen soll. Ich benehme mich wie ein Idiot. Gibt es bestimmte Regeln oder einen allgemein gültigen Verhaltenskodex für das Wiedersehen von geschiedenen Ehepartnern?« In die Stille zwischen ihnen drang lautes Vogelgezwitscher. Dann ertönte ein rauhes Krächzen, und eine Krähe schoß schimpfend im Sturzflug dicht an seinem Kopf vorbei.
      Vic lachte. »Denken wir sie uns doch einfach selbst aus. Ich fange am besten damit an, dich ins Haus zu bitten. Dein Wagen kann hier mit offenem Verdeck erst mal

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