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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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seinen Freunden nachgefragt.«
    »Ja, aber sie war in Panik. Wahrscheinlich hat sie vergessen, an einem ganz naheliegenden Ort nachzufragen.«
    »Oder jemand hat den Jungen entführt.«
    Mitchs Gesicht wurde noch verbissener, weil es ihn einige Mühe kostete, diese Möglichkeit zu verdrängen. »Wir sind hier in Deer Lake, O’Malley, nicht in New York.«
    Megan zog eine Braue hoch. »In Deer Lake gibt es keine Verbrecher? Ihr habt aber eine Polizei und ein Gefängnis. Oder ist das alle nur Show?«
    »Natürlich kommt hier mal etwas vor«, fauchte er. »Wir haben Collegestudenten, die Ladendiebstahl begehen, und Arbeiter aus der Käsefabrik, die sich samstagabends besaufen und versuchen, sich gegenseitig auf dem Parkplatz der Militärkaserne niederzuschlagen. Aber wir haben doch, um Himmels willen, keine Kindsentführungen.«
    »Ja, also, willkommen in den Neunzigern, Chief«, quittierte sie das sarkastisch. »So eine Sache kann überall passieren.«
    Mitch wich einen halben Schritt zurück und stemmte die Hände in die Hüften. Der Präsident der Sons of Norway Lodge ging in die Männertoilette, nickte und lächelte Mitch zu. Eine Wolke süßlichen WC-Sprays schwappte in den Raum, als die Tür zuschwang. Mitch verdrängte das genauso, wie er verdrängte, was Megan ihm da vorhielt. »Die Leute in St. Joseph haben auch nicht geglaubt, daß es dort geschehen
könnte«, sagte Megan leise. »Und während sie sich gegenseitig mit dieser Illusion getröstet haben, hat sich jemand Jacob Wetterling geschnappt.«
    Der Fall Wetterling in St. Joseph war passiert, bevor Mitch nach Minnesota gezogen war, aber in den Köpfen und Herzen der Menschen lebte er immer noch. Ein Kind war aus ihrer Mitte gestohlen worden und nie wieder aufgetaucht. Diese Art von Verbrechen ereignete sich so selten in dieser Gegend, daß die Menschen furchtbar betroffen waren, als ginge es um ein Mitglied der eigenen Familie. Deer Lake war fast zweihundert Meilen von St. Joseph entfernt, aber Mitch wußte, daß mehrere Männer aus einem Team und dem Sheriffbüro bei diesem Fall als Freiwillige mitgearbeitet hatten. Wenn sie darüber redeten, dann nur vorsichtig, gedämpft, als hätten sie Angst, den Dämon wieder heraufzubeschwören, der diese Grausamkeit begangen hatte. Megan schnappte sich leise fluchend den Telefonhörer. »Wir verschwenden Zeit.«
    »Ich mach es.« Mitch griff über ihre Schulter und riß ihr den Hörer aus der Hand.
    »Ein bißchen eingerostet, was die Etikette betrifft, was?« sagte sie giftig.
    »Unser Telefonist kennt Sie nicht«, war die ganze Entschuldigung.
    »Doug? Mitch Holt. Hör mal, ich brauch eine Fahndung nach Paul Kirkwoods Jungen, Josh. Ja. Hannah wollte ihn vom Eishockey abholen, und da muß er weggegangen sein. Wahrscheinlich sitzt er bei jemandem im Keller und spielt Monopoly, aber du weißt ja, wie das ist. Hannah macht sich Sorgen. Genau, das können Frauen wirklich aus dem ff.«
    Megan kniff die Augen zusammen und warf den Kopf zurück, Mitch ignorierte sie.
    »Melde es denen vom Bezirk auch, für den Fall, daß sie ihn zufällig sehen. Er ist acht, ein bißchen klein für sein Alter. Blaue Augen, braune Locken, er trägt eine grellblaue Skijacke, mit gelben und grünen Rändern und eine knallgelbe Pudelmütze mit einem Vikingschild. Und schick einen Wagen zur Eishalle. Sag ihnen, ich treff sie dort.«
    Er legte den Hörer auf, gerade als der Präsident der Sons of Norway aus der Toilette kam, einen Gruß nuschelte und dann mit einem neugierigen Blick auf Megan weiterging. Mitch grunzte, was, wie er hoffte, auch wie ein Gruß klang. Er spürte Megans steten Blick, schwer, erwartungsvoll, vorwurfsvoll. Sie war neu in diesem Job, ehrgeizig,
begierig darauf sich zu profilieren. Bestimmt hätte sie gleich die Kavallerie gerufen, aber die Kavallerie war noch nicht gerechtfertigt. Als erstes mußte man bei einer Vermißtenmeldung feststellen, ob die Person tatsächlich abgängig war – daher die Regel, daß Erwachsene erst nach vierundzwanzig Stunden als vermißt betrachtet werden sollten. Für Kinder galt diese Regel nicht mehr, aber trotzdem waren verschiedene Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, bevor man das Schlimmste annahm. Selbst vernünftige Kinder verhielten sich gelegentlich unberechenbar. Vielleicht war Josh mit einem Freund nach Hause gegangen und hatte einfach die Zeit vergessen, oder er könnte seine Mutter bestrafen wollen, weil sie ihn vergessen hatte. Es gab zahllose Erklärungen, die alle

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