Deer Lake 01 - Sünden der Nacht
verspiegelten Sonnenbrille versteckt. Paul stand fünf Meter weiter, mit ernster Miene, der Wind zerzauste sein braunes Haar. Megan stellte sich unauffällig
neben ihn, in der Hoffnung, die Presseleute wären vom Sheriff so hingerissen, daß sie sie nicht bemerkten.
»Mr. Kirkwood, kann ich Sie kurz sprechen?« fragte sie leise und drehte ihren Rücken den Kameras zu.
Paul runzelte die Stirn. »Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen zu dem Van, den Sie früher für die Jagd benutzten.«
»Was ist damit?«
»Fürs erste haben Sie ihn heute morgen nicht erwähnt.«
»Ich hab ihn vor Jahren verkauft«, sagte er irritiert. »Was sollte der mit Josh zu tun haben?«
»Vielleicht nichts. Aber wir müssen jede Einzelheit überprüfen.«
Sie packte seinen Jackenärmel und zog ihn weg von der Menge und den Ohren, die auf Informationen geeicht waren wie Wanzen. Paul folgte ihr widerwillig, außer Schußweite der Kameras, hinter einen der Trucks der Parkverwaltung.
»Hannah hat mir erzählt, Sie hätten den Van vor einigen Jahren verkauft«, sagte Megan. »Wer war der Käufer? Hat er Josh gesehen oder bei Ihnen im Haus kennengelernt?«
»Weiß nicht«, schnauzte Paul. »Das ist schon Jahre her. Auf eine Anzeige in der Zeitung ist halt jemand gekommen.«
»Sie haben etwas Schriftliches über diesen Mann?«
»Nein. Das war einfach irgendein Typ. Er hat bar bezahlt, den Van genommen und ist weggefahren mit diesem Schrotthaufen. Ich war froh, das Ding loszusein.«
»Und die Papiere? Sie sind nicht mit ihm gegangen, die Papiere umzuschreiben?«
Er sah sie an. »Sie sind doch wohl nicht so naiv, Agent O’Malley.«
»Nein«, sagte Megan ruhig. »Ich bin nicht naiv. Aber Sie scheinen mir nicht die Sorte Mann, der die Regeln ignoriert.«
»O mein Gott!« Er tat ein paar Schritte zurück und breitete die Arme aus, als wolle er alle Welt einladen, seine Fassungslosigkeit zu teilen.
»Ich glaub es einfach nicht!« Seine laute Stimme erregte die Aufmerksamkeit einer Reihe von Leuten, die sich um Steiger drängten. » Mein Sohn ist entführt worden, und Sie besitzen die Unverschämtheit, dazustehen und mich wie einen Verbrecher zu behandeln?«
Megan sah, wie die Leute sich ihnen zuwandten. Die Spannung der Meute legte knochige Finger um ihren Nacken. Noch mehr ins
Scheinwerferlicht der Presse zu geraten, brauchte sie wie ein Loch im Kopf. DePalma würde sie von diesem Fall abziehen und so tief in den Eingeweiden des Hauptquartiers begraben, daß sie nicht mal mehr den Ausgang zur University Avenue fände.
»Mr. Kirkwood, ich beschuldige Sie keineswegs.« Sie sagte das mit derselben leisen, ruhigen Stimme, die sie bei Selbstmördern auf einem Fenstersims benutzte. »Ich entschuldige mich, wenn sich das so anhörte.«
»Ich werde Ihnen sagen, wie sich das anhört«, sagte Paul mit vor Wut vibrierender Stimme. »Für mich hört sich das an, als wüßten Sie nicht, wie Sie meinen Sohn finden können und trachten lediglich danach, Ihren Hintern zu decken! So hört sich das an!«
Er stürmte davon, weg von den hundert Leuten um sie herum, die sich die Show nicht entgehen lassen wollten, weg von den Kameras und den Reportern. Sie richteten ihre Zielfernrohre auf Megan und rückten ihr auf den Leib.
»Agent O’Malley, können Sie uns einen Kommentar zu Mr. Kirkwoods Anschuldigungen geben?«
»Agent O’Malley, betrachtet das BCA Mr. Kirkwood als Verdächtigen?«
»Agent O’Malley, haben Sie etwas zu sagen zu dem Artikel in der Tribune ?«
Megan verkniff sich etwa hundert übereilte Antworten. Diplomatie. Unauffällige, stille Diplomatie. So lauteten ihre Anweisungen von DePalma. Das war die Politik der BCA, sie hatte geschworen, sie könnte damit umgehen. Sie hatte sich gelobt, ihren Jähzorn im Zaum zu halten und alles zu ertragen, was die Presse oder sonst jemand ihr zumutete. Tief durchatmend stellte sie sich gefaßt den Kameras. »Mr. Kirkwood ist verständlicherweise aufgeregt. Ohne Einschränkung tut das BCA, was es kann, in Zusammenarbeit mit der Polizei von Deer Lake und dem Sheriffbüro von Park County, um Josh zu finden und seinen Entführer vor Gericht zu stellen.«
Sie ignorierte das Sperrfeuer von Fragen, drängte sich durch die Menge und ging zu ihrem Wagen.
»Hatte ich gesagt, Sie bleiben einen Monat hier, O’Malley?« zischte Steiger, als sie an ihm vorbei mußte. »War das vielleicht ein bißchen zu optimistisch?«
Kapitel 14
9 Uhr 19, – 9
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