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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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wäre er ein erfahrener Dompteur oder dergleichen, und dazu strich er ihm über das Maul und flüsterte ihm mysteriöse oder triviale Worte zu. Das erste, was mir auffiel, war der Handschuh, ein schwarzer Lederhandschuh, der sich vom weißen Fell des Schimmels abhob, es war ein bewölkter, aber alles andere als kühler Frühlingstag, sich die Hände zu bedecken hatte etwas Exzentrisches, und mehr noch, nur einen einzelnen Handschuh zu tragen, als der Mann nämlich die andere Hand ausstreckte und sie dem Pferd auf die Flanke legte, sah ich, daß sie unbedeckt war, es war die rechte, und ich hatte Zeit zu denken: ›Viele Einhändige hier … Vielleicht ist seine Linke nie richtig verheilt, und er trägt den Handschuh deswegen, um eine Mißbildung oder Narben zu verdecken, was weiß ich, vielleicht zeigt er sie jetzt nie.‹ Gerade als ich das dachte, drehte er sich zu mir um, es geschah gleichzeitig – nicht zu irgend jemand anderem, sondern zu mir, als hätte er mich bereits vor dem Zwischenfall mit den Tieren gesehen und wüßte daher, wo ich stand, oder vielleicht war er mir auch schon ein Stück weit gefolgt –, und sah mich aus seinen unverwechselbaren Augen an, sie waren obszön und wild und kalt, tiefschwarz, sehr groß und leicht auseinanderstehend, sie hatten fast keine Wimpern, und dieser Mangel und dieses Auseinanderstehen mußten seinen obzönen Blick auf die Frauen, die er eroberte oder kaufte, und vielleicht auch auf die Männer, mit denen er rivalisierte, unerträglich machen, und mit mir rivalisierte er nicht nur, sondern er haßte mich überdies mit derselben unveränderten Intensität wie am Ende meines Besuchs, dem einzigen Mal, daß ich bei ihm zu Hause gewesen war, mit einer alten Llama und einem Schürhaken in der Hand und mit Handschuhen wie denen von Reresby auf der Behindertentoilette und wie seinem einzelnen jetzt. Aber in Wirklichkeit war es nicht derselbe Haß, er war nicht identisch: Hier, vor dem Palacio Real, wirkte er nicht mehr jäh gealtert und ohnmächtig und folgenlos und unwirksam, noch auch von Furcht oder Schreck gefärbt, noch glich er dem von Kindern, die in ihren Kinderkörpern eingesperrt sind, oder dem eines zornigen Jugendlichen, der das rasche Dahinziehen der Welt betrachtet, die sich nicht dazu herabläßt, ihn einzubeziehen, oder dem eines Gefangenen, für den niemand verharrt oder sich zurückhält oder wartet; und sein Blick war nicht mehr getrübt, sondern unzweifelhaft und klar.
    Ich hatte einige Sekunden gebraucht, um ihn zu erkennen, weil Custardoy keinen Hut und keinen Pferdeschwanz mehr trug und nicht einmal mehr einen Schnurrbart, oder von diesem nur einen Schatten, als ob er gerade anfinge, ihn sich nach einer glattrasierten Phase stehenzulassen. Er tätschelte das Pferd mit der behandschuhten Linken und murmelte kurze Sätze, aber ich konnte nicht mehr erkennen, ob er sich damit an das Tier oder an die Polizistin wandte – die ihn mit Wohlgefallen gewähren ließ, möglicherweise war sie schon erobert, mit ihren hohen Stiefeln, die denen einer fernen englischen Zigeunerin aus Oxford glichen – oder aber an mich, in dem Wissen, daß sie für mich unhörbar waren. Und als ich bemerkte, wie er mich haßerfüllt ansah – aber es lag darin auch noch etwas anderes, Dreistigkeit, eine aufgeschobene Drohung ohne Eile, bereit to linger and delay, solange es ihm paßte oder nötig war –, da veränderte sich gewiß mein Ausdruck und ich dachte: ›Verdammt. Ich habe ihn nicht von der Bildfläche verschwinden lassen, nicht ganz, ich bin nicht auf Nummer Sicher gegangen. Vielleicht wird dieser Mann es wagen, eines Tages mich oder uns beide holen zu kommen, mich und Luisa, oder uns vier, wer weiß, vielleicht auch die Kinder. Ich habe ihn gedemütigt, ich habe ihm weh getan, und ich habe ihm die Frau genommen, die er liebte. Ich hätte ihn für immer von der Bildfläche verschwinden lassen oder ihn auslöschen müssen, als wäre er ein Blutfleck.‹ Und auf einmal durchfuhr mich blitzartig ein Bild – blitzartig, weil es so kurz war, nicht, weil es so hell gewesen wäre, es war erschreckend und ekelhaft und schäbig; oder es war wie ein Blitz ohne Donner, der stumm in Stücke spaltet –, ein Bild, das ich auf Tupras Videos gesehen hatte, mit einem Pferd unter Zwang, einer wehrlosen Frau, und ich konnte nicht umhin, Custardoy mit den gut gekleideten Männern mit dichten Schnurrbärten und Cowboyhüten in Verbindung zu bringen, die unter weißen, roten, grünen

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