Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
seinen langen Beinen Schritt halten und muss alle paar Meter ein Stückchen rennen, um ihn einzuholen.
Steinsäulen markieren die Einfahrt. Das Tor steht offen. Reifen haben welkes Laub in den Pfützen zerdrückt. Hier ist vor kurzem ein Auto gefahren.
Das Haus ist riesig und wie aus einer anderen Zeit, auf der einen Seite von Efeu überwuchert, mit kleinen dunklen Fenstern, die durch das Blattwerk stoßen. An der westlichen Ecke des steilen Schrägdachs ragt ein achteckiger Turm in die Höhe.
Das Haus wirkt unbewohnt. Verschlossen. Vorhänge sind zugezogen, auf der Treppe und dem kleinen Säulengang vor dem Eingang hat sich Laub gesammelt. Ich folge Monk die Stufen hinauf. Er klingelt. Niemand antwortet. Ich rufe Charlies und Juliannes Namen und presse mein Gesicht an eine schmale Milchglasscheibe, um noch die kleinste Vibration einer Antwort zu vernehmen oder sie mir einzubilden.
Ruiz ist ums Haus gegangen, um in der Garage unter den Bäumen nachzusehen. Er verschwindet in einer Seitentür und kommt sofort wieder heraus.
»Es ist Tylers Van«, ruft er. »Er ist leer.«
In meinem Kopf machen sich taumelnde und hüpfende Gefühle breit. Hoffnung.
Monk telefoniert mit DI Cray. »Sagen Sie ihr, sie soll einen Krankenwagen schicken.«
Er richtet ihr die Nachricht aus und klappt das Telefon zu. Dann hebt er den Arm und drückt mit dem Ellbogen die Glasscheibe ein, die splitternd nach innen fällt. Er greift behutsam hinein, entriegelt die Tür und zieht sie auf.
In der schwarz-weiß gefliesten Halle gibt es einen Spiegel, einen Schirmständer und einen Beistelltisch, auf dem das Menü eines chinesischen Schnellrestaurants und ein Zettel mit diversen Notfallnummern liegen.
Das Licht funktioniert, aber die Schalter verschwinden beinahe im Blumenmuster der Tapete. Das Haus ist für den Winter geschlossen, Laken und Decken decken die Möbel zu, und der Kamin ist gekehrt. Ich stelle mir unsichtbare Gestalten vor, die lautlos in den Ecken lauern.
Drei Polizeiwagen fahren durchs Tor und wirbeln in der Einfahrt Kies auf. Türen werden aufgerissen. DI Cray führt die Beamten die Eingangstreppe hinauf.
Gideon hat gesagt, Julianne und Charlie wären in einer Kiste begraben und würden dieselbe Luft atmen. Ich will ihm nicht glauben. So vieles von dem, was er gesagt hat, war nur dazu gedacht, Menschen zu verletzen und zu brechen.
Ich stehe schwankend im Esszimmer, Licht flutet durch die Terrassentür. Auf dem Parkett sind schlammige Fußabdrücke zu sehen.
Ruiz ist nach oben gegangen. Er ruft mich. Zwei Stufen auf einmal nehmend, ziehe ich mich am Geländer hoch. Mein Stock gleitet mir aus der Hand und fällt klappernd auf die schwarzweißen Fliesen.
»Hier drinnen«, ruft er.
An der Tür bleibe ich stehen. Ruiz kniet neben einem schmalen Bett mit Eisengestell. Auf der Matratze liegt zusammengerollt ein Kind, Augen und Mund zugeklebt. Ich kann mich nicht erinnern, einen Laut von mir gegeben zu haben, aber Charlie wendet ihren Kopf meiner Stimme entgegen und stößt ein unterdrücktes Schluchzen aus. Sie wiegt den Kopf hin und her. Ich muss sie still halten, während Ruiz auf einer dünnen Matratze in einer anderen Ecke des Zimmers eine Schere findet.
Seine Hände zittern. Genau wie meine. Die Klingen der Schere öffnen und schließen sich behutsam, und ich ziehe das Klebeband ab. Staunend und mit offenem Mund starre ich Charlie an und kann noch immer nicht glauben, dass sie es ist. Ich blicke in ihre blauen Augen und sehe sie durch eine schimmernde Flüssigkeit, die sich nicht wegblinzeln lässt.
Sie ist dreckig, ihre Haare sind abgeschnitten. Ihre Haut ist aufgerissen. Ihre Handgelenke bluten. Sie ist das schönste Wesen, das je geatmet hat.
Ich drücke sie an meine Brust, wiege sie in meinen Armen. Ich will sie festhalten, bis sie aufhört zu weinen, bis sie alles
vergessen hat. Ich will sie festhalten, bis sie sich nur noch an meine warme Umarmung, meine Worte in ihren Ohren und meine Tränen auf ihrer Stirn erinnert.
Charlie trägt einen Bademantel. Ihre Jeans hängt über dem Stuhl.
»Hat er …?« Die Worte bleiben mir im Hals stecken. »Hat er dich angefasst?«
Sie blinzelt mich verständnislos an.
»Hat er dich gezwungen, Sachen zu machen? Du kannst es mir erzählen. Es ist okay.«
Sie schüttelt den Kopf und wischt sich mit dem Ärmel die Nase ab.
»Wo ist deine Mum?«, frage ich.
Sie sieht mich stirnrunzelnd an.
»Hast du sie gesehen?«
»Nein. Wo ist sie?«
Ich sehe Monk und Ruiz an. Sie
Weitere Kostenlose Bücher