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Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman

Titel: Das Geheimnis der Inselrose - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Prolog
    Wangerooge, März 1829
    B ei Anbruch der Nacht kam ein Sturm auf. Er beutelte und rüttelte das Haus mit der Hand eines Riesen, peitschte über das Meer und bog die wenigen Bäume der Insel wie Grashalme. Aus der Ferne klang das Tosen der See wie das Gebrüll wilder Ungeheuer.
    In der kleinen Kate wütete ein anderer Sturm. Heftige Wehen kamen und gingen in schmerzhaften, schier unerträglichen Wellen. Sie zerrütteten den Geist der Gebärenden, marterten ihren Körper und ließen die Hebamme verzweifeln. Immer wieder vereinten sich die verzweifelten Schreie der Frau mit dem Stöhnen und Kreischen der Naturgewalten.
    In der Schlafbutze wäre es zu eng gewesen, und so lag die Schwangere mitten im Raum auf einem Lager aus Leinen. Die Hebamme, eine gebeugte Gestalt im trüben Licht, trat einige Schritte zurück.
    »Da kann doch was nicht stimmen«, murmelte sie vor sich hin, nahm einen großen Schluck aus der Flasche und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Wenn sie doch nur die schmerzstillenden Arzneien aus dem Hebammenkorb verwenden könnte. Auch der starke Schnaps hätte sein Gutes haben können. Aber nein! Dieser verdammte Prediger verschlimmerte die ganze Sache noch, indem er einfach auftauchte, um sicherzustellen, dass dieses arme Weib ihr Kind nur ja unter Schmerzen zur Welt brachte. Ein Hundesohn war er!
Sie korkte mit einer entschlossenen Bewegung die Flasche zu und machte sich wieder an die Arbeit. Mit einem feuchten Schwamm wusch sie den Schweiß vom Gesicht der Gequälten und massierte mit geübten Fingern den angeschwollenen Leib.
    »Kindchen, das Kleine will in die Welt. Wehr dich nicht dagegen«, bettelte sie. »Noch einmal kräftig drücken, Liebes, so fest wie möglich drücken. Komm, lass es los!«
    Ihre Worte gingen im Geschrei der Schwangeren unter, das diesmal sogar den Sturm übertönte. Verzweifelt zog die Hebamme ihren Korb zu sich heran. Eine Möglichkeit gab es noch! Sie griff triumphierend nach einem verschlossenen Gefäß.
    »Pfeffer! Das hat schon so manchen Pfropfen aus dem Leib gezogen. Ich streu es dir direkt unter die Nase, mein Herzchen, und bei der nächsten Wehe schön hochziehen, hörst du?«
    Die Hebamme eilte zwischen die gespreizten Beine und wartete. Die Schwangere stöhnte laut, holte tief Atem und nieste so gewaltsam, dass ihr ganzer Körper erbebte. Wie hypnotisiert starrte die Hebamme auf den Geburtskanal. Als nichts geschah, richtete sie sich langsam auf.
    »Ich kann dir nicht helfen«, presste sie schaudernd hervor. »Das Kind liegt so falsch wie nur was! Will unbedingt mit dem Hintern zuerst auf die Welt.« Sie fuhr sich verzweifelt mit der Hand über die Stirn. »Wir brauchen Hilfe!«
    Sie betrat die Wohnkammer, wo der Pastor schon seit Stunden in der gleichen starren Haltung auf einem der Holzstühle am Feuer saß. Die Hände lagen gefaltet im Schoß.
    »Sie macht der Bibel Ehre«, sagte er mit zufriedener Miene. »Unter Schmerzen sollst du deine Kinder gebären.« Er wies mit dem Finger zur Decke.
    Die Hebamme schnaubte nur. Sie mochte den Prediger nicht. So ging es vielen auf der Insel. Seine strenge Frömmigkeit schreckte die Menschen ab.
    »Ich schaffe es diesmal nicht alleine, Pastor. Gehen Sie diesen
Fremden holen. Er soll Arzt sein. Vielleicht kann er mehr als ich.«
    Der Prediger riss die Augen auf und schüttelte dann entrüstet den Kopf. »Das werde ich nicht tun! In meiner Gemeinde wird kein Mann eine Frau in ihrer Schande sehen.« Seine Stimme klang wie sonntags auf der Kanzel. »Der Geburtsschmerz ist vom Herrn auferlegt. Gott will, dass die Frauen für ihre Erbsünde büßen. Eine gerechte Strafe, wie ich finde, für das Verlocken Adams mit dem Apfel. Wir haben dadurch das Paradies verloren. Und dieses elende Geschöpf hat hier auf Erden ja wohl noch zusätzliche Schuld auf sich geladen.« Er nickte mit verkniffener Miene zur Schlafkammer hin.
    Die Hebamme starrte ihn fassungslos an. Dann baute sie sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor ihm auf. »Glauben Sie, ich weiß nicht, wer ihr das angetan hat?« Sie spuckte vor ihm auf den Boden. »Gott gäbe, dass sein Leib ein Fraß der Fische wird und seine Seele in der Hölle schmort. Wollen Sie etwa dieses arme Menschenkind elendig verrecken lassen? Ist das Gottes Wille?« Ihre gellende Stimme erfüllte die Kammer. »Das Ungeborene hat Steißlage. Verdammt, Pastor, gehen Sie Hilfe holen, und zwar schnell.«
    Der Geistliche sprang auf, trat auf sie zu und erhob eine Hand wie zum

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