Delete: Thriller (German Edition)
nur ein Psychotrick, um dich zum Bleiben zu bewegen. Immerhin kann es sich kein Chef leisten, alle Mitarbeiter zu vergraulen. Eine ungewöhnlich hohe Quote von Versetzungsanträgen wäre schlecht für sein Image. Jeder soll wissen, dass er der Boss ist, aber keiner soll freiwillig gehen. Wahrscheinlich wird er dir irgendwann wieder kleinere Einsätze übertragen und es wie eine große Gnade aussehen lassen. So versucht er, dich gefügig zu machen.«
»Hm. So habe ich das noch nicht betrachtet. Zugegeben, das würde zu ihm passen. Aber dummerweise habe ich jetzt noch weniger Lust, für ihn zu arbeiten.«
»Dann lass dich eben versetzen. Wie alt bist du jetzt? Zweiundfünfzig? Auf keinen Fall zu alt, um woanders neu anzufangen. Mit deiner Erfahrung wirst du in so ziemlich jeder Dienststelle wertvolle Arbeit leisten können. Vielleicht wird irgendwo der Leiter eines Kriminalkommissariats gesucht. Wär das nicht was für dich?«
»Ich will aber nicht irgendwo in die Provinz. Und die Hamburger Kommissariate sind alle gut besetzt.«
»Auch noch anspruchsvoll, was?« Häger lachte trocken. »Na schön, ich höre mich mal um. Sollte ich was Passendes finden, melde ich mich.«
»Danke, Erik. Auch für deinen Rat.«
»Gern geschehen. Wer weiß, vielleicht verschlägt es dich ja nach Berlin. Dann gehen wir auf jeden Fall mal wieder ein Bier trinken.«
»Da bin ich dabei.«
Nach dem Gespräch fühlte Eisenberg sich besser. Gerade, dass sein alter Freund nicht so getan hatte, als sei die Zugriffsentscheidung auf jeden Fall richtig gewesen, hatte ihm seltsamerweise geholfen. Er sah sich die Nachrichten und einen alten Film mit Humphrey Bogart an und ging dann ins Bett. Vor dem Einschlafen dachte er daran, dass das Mädchen, das ihm den Einsatz vermasselt hatte, jetzt irgendwo in einem ähnlich bequemen Bett lag, mit der Aussicht, bald wieder bei seiner Familie sein zu können.
Immerhin etwas.
4.
Am nächsten Nachmittag stand Mina vor der Tür zu Thomas’ Apartment in einem Studentenwohnheim. Ihr Zorn war inzwischen durch Sorge verdrängt worden. Etwas stimmte nicht. Sie hatte gestern bis spät in die Nacht versucht, ihn zu erreichen. Er reagierte weder auf ihre Anrufe noch auf E-Mails und Chatversuche, obwohl sein Skype-Account immer noch den Status »online« anzeigte. Auch heute Morgen hatte sie es zwischen den Vorlesungen mehrfach versucht. Vielleicht hatte er sich gestern zugedröhnt und lag einfach nur mit dickem Schädel im Bett. Aber so richtig passte diese Vorstellung nicht zu ihm.
Sie klingelte, doch niemand öffnete. Auch ihr Klopfen bewirkte keinerlei Reaktion. Die Tür hatte außen einen Knauf, sodass man sie ohne Schlüssel nicht öffnen konnte. Schließlich gab sie auf.
In einem Aufenthaltsraum des Wohnheims fragte sie zwei Tischkickerspieler nach Thomas, doch die beiden konnten ihr nicht weiterhelfen. Nicht weniger beunruhigt kehrte sie nach Hause zurück. Doch warum machte sie sich solche Sorgen? Vielleicht gab es einen ganz einfachen Grund für sein Verschwinden, und schließlich war sie nicht sein Kindermädchen.
Sie loggte sich in ihren World of Wizardry -Account ein und war darauf vorbereitet, als Rache für den Überfall sofort von einem Mitglied der Feuergilde attackiert zu werden. Ohne Waffen und Rüstung hätte ihr Halbork selbst gegen einen wesentlich schwächeren Gegner keine Chance gehabt. Doch das Schlachtfeld war verlassen. Neben ihrer nur mit einer erdfarbenen Tunika bekleideten Spielfigur lag ein Beutel mit fünfzig Goldflorin als Geste der Verachtung durch die Feuergildner.
Mina nahm den Beutel trotzdem an sich und machte sich auf den Weg in die Stadt Felsheim, in der ihre Gilde einen Außenposten hatte. Dort würde man sie mit der nötigsten Ausrüstung versorgen, sodass sie wieder Aufträge annehmen und sich bessere Waffen und Rüstungen erarbeiten konnte.
Der Weg dahin war alles andere als einfach. Sie befand sich in monsterverseuchtem Territorium, das für Anfänger und Figuren ohne geeignete Ausrüstung lebensgefährlich war. Zum Glück verfügte ihr Halbork über einige Körperkraft und die Fähigkeit des waffenlosen Kampfes, sodass sie zumindest mit den allgegenwärtigen Werwölfen, Waldschraten und Kobolden fertigwurde. Nur zweimal wurde es wirklich brenzlig, als sie von einem Höhlentroll und einem Schneetiger angegriffen wurde. Beide Male kam sie nur durch Flucht knapp mit dem Leben davon.
Schließlich erreichte sie das Gildenhaus. Dort traf sie Tristanleaf, der sich
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