Delete: Thriller (German Edition)
Möglichkeit, eine perfekte künstliche Realität zu erschaffen. Wir wissen jetzt, wie so etwas geht – und dass es tatsächlich funktionieren kann.
Schon in den Fünfzigerjahren wurde das enorme Potenzial der noch jungen Computertechnik erstmals sichtbar. Alan Turing formulierte seine Gedanken über intelligente Maschinen und bewies, dass diese zumindest theoretisch möglich sind. Daniel F. Galouye verfasste 1964 den Roman Simulacron-3 und beschrieb darin erstmals eine virtuelle Realität. In seiner Vorstellung des Jahres 2030 hat er die Entwicklung der Transportmittel (fliegende Autos, Laufbänder auf den Straßen) überschätzt, die der Informationstechnologie (Computer sind immer noch so groß wie Häuser) jedoch unterschätzt.
Seit die ersten Computer gebaut wurden, sind gerade einmal achtzig Jahre vergangen. Die ersten Versuche, künstliche Welten zu schaffen – damals noch rein textbasiert – entstanden in den Siebzigerjahren: You are standing in an open field west of a white house with a boarded front door. There is a small mailbox here.
Nur vierzig Jahre später können wir uns bereits in Computerspielen durch fotorealistische 3-D-Welten bewegen, in denen es von künstlichen, autonom handelnden Geschöpfen nur so wimmelt. Computer haben die weltbesten Spieler in Schach und der Allgemeinwissen-Quizshow Jeopardy geschlagen. Das Projekt Google Glass verschmilzt die reale Welt mit der virtuellen zu einem Gemisch namens Augmented Reality – erweiterte Realität. Irgendwann werden wir keine Brillen mehr brauchen – elektrische Impulse werden Bilder direkt in unsere Sehnerven projizieren. Die grundlegende Technik dafür existiert bereits und wird schon heute genutzt, um Blinde wieder sehen zu lassen, wenn auch noch in sehr rudimentärer Form.
Die Computerleistung wächst exponentiell. Der weltweit schnellste Computer des Jahres 2012 übertrifft die Leistung des schnellsten Rechners des Jahres 1980 , als das links zitierte Computerspiel Zork I veröffentlicht wurde, um das Siebzigmillionenfache. Ein Ende des rasanten Leistungswachstums ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Neue Techniken wie Photonen- und Quantencomputer versprechen weitere Steigerungen in kaum vorstellbaren Dimensionen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird ein einzelner Computer in spätestens zwanzig Jahren die Rechenleistung eines menschlichen Gehirns erreichen und wenige Jahrzehnte später die Rechenleistung aller Gehirne der Menschheit zusammengenommen.
Wann wird es so weit sein, dass sich das erste Computerprogramm die Frage stellt, woher es kommt und was es über die Welt wissen kann? In zwanzig Jahren, in fünfzig, in hundert? Wie lange es noch dauert, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass es zwangsläufig passieren wird, sofern nicht eine globale Katastrophe die technische Entwicklung abrupt abbremst.
Der schwedische Philosoph Nick Bostrom, der an der Oxford University lehrt, hat sich gefragt, welche Schlussfolgerungen wir aus dieser Entwicklung ziehen können. In seinem berühmten, 2003 erschienenen Aufsatz Are You Living in a Computer Simulation ? formuliert er folgende drei sich gegenseitig ausschließende Hypothesen:
1.
Die Menschheit wird sehr wahrscheinlich aussterben, bevor sie die Fähigkeit erlangt, perfekte simulierte Welten mit denkenden künstlichen Lebewesen zu schaffen.
2.
Jede Zivilisation, die diese Fähigkeit erlangt, wird gleichwohl – aus welchem Grund auch immer – darauf verzichten, solche simulierten Welten in signifikanter Anzahl zu schaffen.
3.
Wir leben höchstwahrscheinlich in einer simulierten Welt.
Bostrom zeigt in seinem Aufsatz mit messerscharfer Logik, dass eine der drei Aussagen wahr sein muss . Vereinfacht ausgedrückt: Wenn 1. und 2. falsch sind, dann gibt es irgendwann wesentlich mehr künstliche Lebewesen, die nicht wissen, dass sie in einer simulierten Welt leben, als echte. Wie groß ist also die Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig aus der Menge aller denkenden Wesen ausgewähltes Subjekt (beispielsweise du) real ist? Verschwindend gering.
Das, was wir bisher über unsere eigenen Anwendungen von Computertechnik wissen, spricht sehr stark gegen These 2. Tatsächlich benutzen wir den weitaus größten Teil der Rechenleistung aller Computer für Simulationen, wenn wir auch bisher nur sehr kleine Ausschnitte der Realität (z . B. das Verhalten von Molekülen) exakt oder weitläufige künstliche Welten (z . B. Computerspiele, das Wetter oder Modelle von Galaxien) nur sehr grob simulieren
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