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Delia, die weisse Indianerin

Delia, die weisse Indianerin

Titel: Delia, die weisse Indianerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Louise Fischer
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sie sagte nur, genauso obenhin wie er: „Na, wenn du meinst!“
    Seite an Seite gingen sie weiter, und Delia fühlte sich auf einmal viel besser. Die dunkle Stadt wirkte nicht mehr unheimlich, und sie hatte auch keine Angst mehr, dass etwas schiefgehen würde. Kaspar konnte alles. Wenn er bei ihr war, musste es gelingen.
    Im Hafen lagen viele große Schiffe. Ihre Masten und Segel hoben sich dunkel gegen den Sternenhimmel ab.
    Kaspar hatte Delia den Mantelsack abgenommen. Eine Wolke schob sich vor den Mond, und sie waren beide froh darüber. Im Schutz der Dunkelheit wanderten sie am Kai entlang.
    „Wie heißt das Schiff, das du suchst?“ flüsterte Kaspar.
    „Johann Gutenberg“, gab Delia ebenso leise zurück.
    „Hoffentlich liegt es nicht zu weit draußen!“
    „Bestimmt nicht“, sagte Delia. „Heute ist der 27. April, nicht wahr? Dann muss es morgen in See stechen. Ich habe es gerade noch mit knapper Not erreicht!“
    Vorsichtig schlichen sie sich, immer in Deckung von Kisten, Fässern und anderem Ladegut, weiter voran, versuchten die Namen der Schiffe zu entziffern. Aber es dauerte eine lange, bange halbe Stunde, bis sie endlich die „Gutenberg“ fanden.
    „Da ist sie!“ rief Delia. „Ein schönes Schiff!“
    „Kein Dampfschiff“, sagte Kaspar fachmännisch. „Das wird eine lange Überfahrt werden!“
    „Wenn ich nur erst mal drauf wäre!“
    Sie betrachteten, hinter einem Stapel Ballen verborgen, lange das große Segelschiff und versuchten, einen Plan zu entwerfen, wie Delia unbemerkt hineinkommen könnte. Eine schmale Planke führte vom Kai hinüber, aber die wagte Delia nicht zu benutzen, denn an ihrem anderen Ende, oben auf dem Schiff, stand ein Matrose.
    Er war nicht der Einzige, der Wache hielt. Ein anderer tauchte immer wieder auf und verschwand; anscheinend unternahm er regelmäßige Runden über das Schiffsdeck.
    „Es hilft nichts“, sagte Kaspar endlich. „Wir müssen mit einem Boot heranfahren ... und dann musst du das Tau ergreifen, das da vorn hängt, und daran hinaufklettern! Anders geht es nicht!“
    „Das kann ich nicht“, sagte Delia.
    „Wenn es sein muss, kann man alles!“
    Delia wagte nicht länger zu widersprechen, obwohl ihr das Herz bis in den Hals hinein pumperte.
    „Bleib hier!“ sagte Kaspar und stellte den Mantelsack neben sie zu Boden. „Ich suche erst einmal ein Boot!“
    Delia blieb zurück, wartete, zitternd vor Aufregung. Schon nach wenigen Minuten war Kaspar wieder da.
    „Ich hab’s gefunden“, sagte er. „Komm mit!“
    Delia und Kaspar kletterten in das kleine Zubringerboot. Kaspar tauchte die Ruder so vorsichtig in das dunkle Wasser, dass nicht einmal ein Plätschern laut wurde. Er hielt gerade unter dem herabbaumelnden Tau an.
    „So, jetzt! befahl er. „Viel Glück!“
    Delia erwischte das baumelnde Tau.
    „Lass den Mantelsack hier!“ flüsterte Kaspar. „Den binde ich nachher an das Tau, und du ziehst ihn hinauf! Hast du mich verstanden?“
    „Ja“, hauchte Delia.
    „Ich leg dir noch was hinein – zum Andenken!“
    „Danke!“
    „Sieh zu, dass du dich im Schiff versteckst, ganz unten, wo die Vorräte sind ... und die Wassertonnen!“
    „Grüß alle!“ sagte Delia noch, und dann begann sie zu klettern.
    Wie gut, dass sie das von Kaspar gelernt hatte! Aber an einem Tau zu klettern, das immerzu gegen die Schiffswand schlug, das war doch noch viel schwerer, als sich an dem hohen Mast auf dem Zirkusplatz hinaufzuwinden.
    Nach ein paar Klimmzügen fand sie eine bessere Methode: Sie stieß sich mit den Beinen von der Schiffswand ab, zog sich nur mit den Händen hoch, spazierte sozusagen die steile Wand hinauf. Bevor sie sich über die Reling schwang, lauschte sie. Die Schritte des Wachhabenden kamen näher, waren ganz nahe, dann wurden sie leiser, entfernten sich – gerade noch rechtzeitig, denn fast konnte Delia sich nicht mehr festhalten.
    Sie atmete auf, als sie auf dem Schiffsdeck stand.
    Jetzt band Kaspar unten den Mantelsack fest, und sie konnte ihn ohne große Mühe heraufziehen. Was hätte sie bloß ohne Kaspars Hilfe gemacht! Sie winkte ihm noch einmal zu, dann musste sie sich eilig nach einem Versteck umsehen, denn die Schritte des Wachhabenden näherten sich schon wieder. Sie drückte sich ganz flach in den Schatten eines Aufbaues. Der Matrose ging vorbei, ohne etwas von ihrer Anwesenheit zu ahnen. Sie huschte bis zur Mitte des Schiffs, schlüpfte durch eine mit einer Art Schilderhäuschen bedeckte Luke und eine schmale Treppe

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