Delia im Wilden Westen
verabschiedet hatte.
Delia streichelte ihm tröstend über das graue, kurzhaarige Fellchen. „Sei nicht traurig, Professor! Linda hat dich bestimmt noch lieb. Wir alle haben dich lieb. Du bist doch unser klügster, schönster kleiner Wonnemops!“
Sofort war der kleine Kerl wieder guter Laune. Sein Schwänzchen sprang empor, ringelte sich auf seinem Rücken, und ausgelassen jagte er kreuz und quer wie ein Hase vor Delia her, immer in Richtung auf Akitu, der schon ungeduldig auf sie wartete.
Delia und Akitu ritten noch am gleichen Tag los, obwohl die Sonne sich schon purpurrot färbte und dem Horizont zuneigte. Erst als sie ganz verschwunden war, legten sie eine Rast ein.
Sie warteten, bis die ersten Sterne aufblinkten, aus denen sie die Richtung ablesen konnten. Zum Glück war der Himmel klar und die Orientierung leicht. Nach einiger Zeit fand Akitu die breite Spur, die die Herde der Indianerpferde hinterlassen hatte. Das bedeutete, dass die Soldaten, die die Pferde trieben, gemächlich ritten und nur wenige Stunden Vorsprung hatten.
Immer wieder stieg Akitu ab, legte das Ohr auf den Boden, und als der neue Morgen anbrach, hörte er den Hufschlag vieler Pferde. Sie hatten die Herde fast erreicht.
Delia war inzwischen so müde, dass sie sich fast nicht mehr im Sattel halten konnte. Dennoch war sie, genau wie Akitu, unbedingt dafür, weiterzureiten. Ihr war klar, dass sie die Iowanokas eingeholt haben mussten, bevor die Soldaten mit den Pferden sie überholten. Nur so war eine Befreiung möglich.
Delia und Akitu trennten sich. Delia schlug einen riesigen Bogen nach links, Akitu nach rechts. Sie schmiegte sich eng auf den Pferderücken, während sie die Herde hinter sich ließ. Selbst wenn die Soldaten ihre Pferde sahen, würden sie sie für wilde Mustangs halten.
Dann, als Delia sich schon überlegte, ob sie zur Mitte hin einschlagen sollte, um wieder mit Akitu zusammenzutreffen, hörte sie den kurzen, harten Knall eines Gewehrschusses. Fast gleichzeitig wurde ein Büschel Präriegras vor ihr aus dem Boden gerissen. Offensichtlich hatte einer der Soldaten sie entdeckt und auf sie geschossen.
„So ein Trottel“, sagte Delia laut und empört. Ihr war völlig klar, dass der Soldat ihren kleinen Mustang anscheinend für ein jagdbares Tier gehalten hatte, eine Hirschkuh oder einen jungen Büffel.
Sie ließ sich im Reiten aus dem Sattel gleiten, sodass der Leib des Pferdes sie vor einer zweiten Kugel schützte — das war ein Indianertrick, den sie von Akitu gelernt hatte. Nur konnte es ihr in diesem Fall wenig nützen, denn wenn ihr Pferd getroffen wurde, würde sich das allein schlimm genug für sie auswirken.
Noch eine Kugel pfiff durch die Luft — diesmal zu hoch gezielt.
Delia trommelte auf ihr Pferd ein, um es zu schnellerem Lauf anzutreiben. Das Tier, durch die Schüsse erschreckt, holte das letzte an Kraft aus sich heraus und schoss nur so dahin. Delia konnte sich nur mit Mühe in ihrer hängenden Lage festhalten.
Zum Glück war der Professor klug genug, nicht auf den Schützen loszupreschen. Er jagte mit angelegten Ohren und waagrecht stehendem Schwänzchen hinter Delias Pferd her.
Eine Viertelstunde später traf sie wieder mit Akitu zusammen. Es war jetzt heller Tag geworden. Unzählige Tautropfen funkelten auf Gräsern und Halmen in der Sonne.
„Ist Tapferes Eichhörnchen verletzt?“ fragte Akitu.
Delia begriff, dass er die Schüsse gehört und sich Sorgen um sie gemacht hatte. „Alles in Ordnung“, sagte sie.
Akitu war tüchtiger gewesen als sie. Er hatte sich dicht an die Herde der Indianerpferde und die Soldaten herangepirscht. Jetzt erzählte er Delia, dass die Pferde in eine provisorische Koppel getrieben worden waren und die Soldaten sich an ein Lagerfeuer gesetzt hatten. Er schloss daraus, dass sie eine längere Rast planten.
„Wie viele Soldaten sind es?“ fragte Delia.
Akitu spreizte die Finger seiner linken Hand.
Das bedeutete: wenige. Zählen war nicht Akitus Stärke, und aufs Rechnen verstand er sich überhaupt nicht.
„Das ist gut“, sagte sie.
„Tapferes Eichhörnchen und Junger Adler warten, bis Soldaten eingeschlafen sind“, schlug Akitu vor. „Dann schleichen wir uns heran und befreien die Herde.“
„Ja, und die Pferde laufen munter in alle Himmelsrichtungen davon!“ sagte Delia. „Nein, Akitu, so geht es nicht. Wir müssen erst deine Leute befreien, dann die Tiere.“
Akitu stieg vom Pferd und prüfte das niedergetrampelte Gras, das seinen scharfen Augen
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