Delia im Wilden Westen
reizend aus auf ihrem kohlschwarzen Pferdchen, das sie im Damensitz ritt. Der lange Rock bedeckte fast ihre gestiefelten Füße. Sie saß sehr aufrecht wie eine brave Reiterschülerin. Das blonde lange Haar bauschte sich unter der kleinen Kappe und fiel ihr über die Schultern. Delia bewunderte die damenhafte Haltung ihrer Freundin, wenn sie auch im Stillen dachte, dass Linda wohl kaum in der Lage sein würde, mit losen Zügeln über die Prärie zu jagen, wie Akitu und sie es vermochten.
„Wohin sind die Iowanokas gebracht worden?“ fragte Delia.
„Nach Oklahoma“, antwortete Linda prompt. „Du meinst doch diesen Indianerstamm, den sie aus dem Urwald geholt haben? Das war eine richtige Mörderbande, sagte mein Vater. Sie haben sich einen Spaß daraus gemacht, friedliche Einwanderer zu überfallen und auszuplündern.“
Delia wollte sich nicht mit Linda streiten, aber sie brachte es auch nicht fertig, die Meinung der Freundin einfach gelten zu lassen. „Sie sind durch die Weißen von der Prärie vertrieben worden“, erwiderte sie kurz. „In welcher Richtung liegt Oklahoma?“
„Südwesten, glaube ich.“ Plötzlich wurde Linda misstrauisch. „Wozu willst du das alles wissen?“
„Das Dorf der Iowanokas ist dem Boden gleichgemacht worden“, erklärte Delia. „Ein Trapper erzählte uns, dass sie alle auf dem Wege in eine Reservation seien. Jetzt will ich Akitu zu seinem Stamm begleiten.“
„Du hast also von diesen Wilden immer noch nicht genug?“ rief Linda.
„Du vergisst, dass einer dieser Wilden mein roter Bruder Akitu ist, der dir und allen Weißen im Fort das Leben gerettet hat.“
„Stimmt“, gab Linda zu, und ihre Stimme klang plötzlich etwas kleinlaut. „Es war alles so, wie du und Akitu erzählt hattet. Die Frauen der Irokesen versuchten am Markttag Waffen in das Fort zu schmuggeln. Nur weil Daddy Bescheid wusste, konnte er sie unschädlich machen. Er ist euch sehr dankbar, wirklich, das hat er selber gesagt … ach, Delia, komm doch mit ins Fort! Mein Vater wird Akitu bestimmt helfen, zu seinem Stamm zu kommen. Er hat gesagt, er steht tief in eurer Schuld!“
Das war ein verlockendes Angebot. Es schloss für Delia gutes, richtig gekochtes Essen ein, ein heißes Bad, Mädchenkleider und wenigstens das vorläufige Ende aller ihrer Sorgen. Wenn es ihr nur darum gegangen wäre, Akitu mit den Iowanokas zu vereinen, hätte sie bestimmt zugesagt.
„Tut mir leid, Linda“, entschied sie mit einem Seufzer des Bedauerns. „Das geht nicht. Unmöglich. Wir haben schon so viel Zeit verloren. Wir wollen die Iowanokas auf dem schnellsten Wege erreichen.“
„Aber sie haben ja noch gar keinen großen Vorsprung“, erklärte Linda. „Sie marschieren zu Fuß über die Prärie, da kommt man nur langsam voran.“
„Und ihre Pferde?“
„Keine Angst, die dürfen sie behalten. Sobald sie in der Reservation sind, bekommen sie sie wieder. Die Soldaten, die ihnen die Pferde nachtreiben, sind erst heute früh aufgebrochen.“
Delia begriff, dass man die Iowanokas nicht reiten ließ, weil man von vornherein jeden Ausbruchsversuch verhindern wollte. Zu Fuß waren die Indianer schwerfällig, und wenige Reiter genügten, sie zu bewachen.
„Ihr holt sie leicht ein“, drängte Linda. „Auch wenn ihr euch die Zeit nehmt, euch erst noch im Fort auszuruhen! Ach bitte, Delia, komm doch mit!“
„Ich kann nicht!“ Delia änderte ihre Lage, schwang sich in den Schneidersitz. „Ich habe Akitu mein Wort gegeben. Ich würde ihn nicht überreden können, mich ins Fort zu begleiten. Er ist misstrauisch geworden nach allem, was ihm damals passiert ist.“
„Wenn ich mit ihm spräche?“ schlug Linda vor.
„Nein“, sagte Delia entschlossen. „Du reitest jetzt schön zum Fort zurück. Ich will auf keinen Fall riskieren, dass dein Vater unruhig wird und dich suchen lässt. Also, mach’s gut und schönen Dank für alles.“ Sie ließ es sich nicht anmerken, aber ihr Herz lag in diesem Augenblick schwer wie ein Stein in ihrer Brust.
Linda sprang vom Pferd, schloss sie in die Arme, küsste sie herzlich auf beide Wangen. „Ich werde dich nie vergessen, Delia, und ich wünsche dir viel Glück ... bei allem, was du vorhast!“
Dann schwang sie sich, leicht und elegant, wieder in den Sattel, gab ihrem Pferd die Sporen und trabte in Richtung auf das Fort davon.
Der Mops stand mit hängendem Schwänzchen und sah ihr nach. Er verzog sein Mäulchen, als wenn er beleidigt wäre, dass Linda sich nicht von ihm
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