Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
abendländischer Champagnerfabrikant hätte meine Brauerei belacht, ich aber hatte keine Zeit und mußte die Sache so kurz wie möglich machen, um das chemische Gedächtnis des edlen Pascha nicht mit allzu vielen Prozeduren zu beschweren.
»Nun in die Apotheke!« bat ich ihn.
»Komm!«
Er schritt voran und führte mich in ein Gemach, welches auch zu ebener Erde war. In demselben lag der arme Hekim mit verbundenen Füßen am Boden. Auch ihm gab der Pascha einen Fußtritt.
»Steh auf, Widerwärtiger, und erzeige mir und diesem großen Effendi die Ehre, die uns gebührt. Danke ihm, denn er hat für dich gebeten, daß ich dir deine Portion Hiebe erließ. Wisse, du Nichtsnutz, daß er mir den Zahn herausgenommen hat, ohne daß ich es fühlte. Ich gebiete dir, ihm zu danken!«
O, welches Vergnügen, der Leibarzt eines Pascha zu sein! Dieser arme Schlucker warf sich vor mir nieder und küßte mir den Saum meines alten Haïk. Dann fragte der Pascha:
»Wo ist die Apotheke?«
Der Arzt deutete auf einen großen, wurmstichigen Kasten.
»Hier, o Pascha!«
»Öffne!«
Ich bekam ein wirres Durcheinander von allerhand Düten, Blättern, Büchsen, Amuletten, Pflasterstangen und sonstigem Zeug zu sehen, dessen Charakter und Bestimmung mir vollständig unbekannt war. Ich fragte nach kohlensaurem Natron und Weinsteinsäure. Von dem ersteren war genug, von letzterer aber ganz wenig vorhanden; doch genügte es.
»Hast du alles?« fragte mich der Pascha.
»Ja.«
Er gab dem Arzte einen Abschiedstritt und gebot ihm:
»Besorge von diesen beiden Sachen eine größere Menge und merke dir ihre Namen. Ich brauche sie sehr notwendig, falls ein Pferd krank wird. Wenn du die Namen vergissest, erhältst du fünfzig wohlgezählte Hiebe!«
Wir kehrten in die Küche zurück. Es wurden Flaschen, Lack, Draht und kaltes Wasser beigeschafft, und dann jagte der Gouverneur alle Anwesenden hinaus. Kein Mensch außer ihm sollte, wenn auch nur teilweise, Mitwisser des großen Geheimnisses werden, einen Wein zu bereiten, der kein Wein sei und also von jedem guten Moslem ohne Gewissensbisse getrunken werden könne.
Dann kochten, brauten, kühlten, füllten, pfropften und siegelten wir, daß ihm der Schweiß vom Angesichte troff, und als wir endlich fertig waren, durften die Diener wieder eintreten, um die Flaschen an den kühlsten Ort des Kellers zu bringen. Eine aber nahm der Pascha zur Prüfung mit und trug sie mit höchsteigener Hand durch das Vorzimmer in sein Gemach, wo wir uns wieder niederließen.
»Wollen wir trinken?« fragte er.
»Er ist noch nicht abgekühlt genug.«
»Wir trinken ihn warm.«
»So schmeckt er nicht.«
»Er muß!«
Natürlich mußte er, denn der Pascha gebot es ja! Dieser ließ zwei Gläser bringen, verbot jedermann, selbst dem Meldenden, den Eintritt und löste den Draht.
Puff! – Der Stöpsel flog an die Decke.
»Allah il Allah!« rief er erschrocken.
Gischtend schoß der Kunstwein aus der Flasche. Ich wollte mein Glas schnell unterhalten.
»Maschallah! Er spritzt wirklich!«
Der Pascha that den Mund auf und schob den Hals der Flasche zwischen die Lippen. Sie war fast leer, als er wieder absetzte und den Finger in die Öffnung steckte, um sie zu verschließen.
»Saltanatly – prächtig! Höre, mein Freund, ich liebe dich! Dieser Wein ist sogar besser, als das Wasser vom Brunnen Zem-Zem!«
»Findest du dies?«
»Ja. Er ist sogar noch besser als das Wasser Hawus Kewser, welches man im Paradiese trinken wird. Ich werde dir nicht zwei, sondern vier Khawassen mitgeben.«
»Ich danke dir! Hast du dir genau gemerkt, wie man diesen Wein bereitet?«
»Sehr genau. Ich werde es nicht vergessen!«
Ohne an mich oder daran zu denken, daß zwei Gläser vorhanden seien, setzte er die Flasche wieder an den Mund und nahm sie erst dann hinweg, als sie leer war.
»Bom bosch! Sie ist versiecht. Warum ist sie nicht größer gewesen!«
»Merkst du nun, wie kostbar mein Geheimnis war?«
»Beim Propheten, ich merke es! O, ihr Nemsi seid sehr kluge Leute! Aber erlaube mir, dich einmal zu verlassen!«
Er erhob sich und verließ das Zimmer. Als er nach einer Weile zurückkehrte, trug er etwas unter seinem Kaftan verborgen. Als er sich gesetzt hatte, zog er es hervor. Es waren – zwei Flaschen. Ich lachte.
»Du hast sie selbst geholt?« fragte ich.
»Kendi – selbst! Diesen Wein, der kein Wein ist, darf niemand anrühren außer mir. Ich habe es unten befohlen, und wer von jetzt an die Flasche nur betastet, den lasse ich
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