Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Agha.«
»Ein Agha?«
»Ja; der Begleiter und Beschützer meines Herrn.«
»Wer ist dein Herr?«
»Der große Arzt, der hier in dieser Stube wohnt.«
»Ein großer Arzt? Was kuriert er denn?«
»Alles.«
»Alles? Mache mir nichts weis! Es giebt nur einen Einzigen, der alles kurieren kann.«
»Wer ist das?«
»Ich.«
»So bist du auch ein Arzt?«
»Nein. Ich bin auch der Beschützer meines Herrn.«
»Wer ist dein Herr?«
»Das weiß man nicht. Wir sind erst vorhin in dieses Haus gezogen.«
»Ihr konntet draußen bleiben.«
»Warum?«
»Weil ihr unhöfliche Männer seid und keine Antwort gebt, wenn man fragt. Willst du mir sagen, wer dein Herr ist?«
»Ja.«
»Nun?«
»Er ist, er ist – – mein Herr, aber nicht dein Herr.«
»Schlingel!«
Nach diesem letzten Worte hörte ich, daß mein Halef sich höchst indigniert entfernte. Der andere blieb unter dem Eingange stehen und pfiff; dann begann er leise vor sich hin zu brummen und zu summen; nachher kam eine Pause, und darauf fiel er mit halblauter Stimme in ein Lied.
Ich wäre vor freudiger Überraschung beinahe aufgesprungen, denn der Text der beiden Strophen, welche er sang, lauteten in dem Arabisch, dessen er sich bediente:
»Fid-dagle ma tera jekun? Chammin hu Nabuliun. Ma balu-hu jedubb hena? Kussu-hu, ja fitjanena!
Gema’a homr el-elbise Wast el-chala muntasibe. Ma bal hadolik wakifin? Hallu-na nenzor musri’ in!«
Und diese arabischen Verse, welche sich sogar ganz prächtig reimten, klingen in unserm guten Deutsch nicht anders als:
»Was kraucht nur dort im Busch herum? Ich glaub’, es ist Napolium. Was hat er nur zu krauchen dort? Frisch auf, Kam’raden, jagt ihn fort!
Wer hat nur dort im off’nen Feld’ Die roten Hosen hingestellt? Was haben sie zu stehen dort? Frisch auf, Kam’raden, jagt sie fort!«
Auch die Melodie war ganz und gar dieselbe, Note für Note und Ton für Ton. Ich sprang, als er die zweite Strophe beendet hatte, zur Thür, öffnete dieselbe und sah mir den Menschen an. Er trug weite, blaue Pumphosen, eine eben solche Jacke, Lederstiefeletten und einen Fez auf dem Kopfe, war also eine ganz gewöhnliche Erscheinung.
Als er mich sah, stemmte er die Fäuste in die Hüften, stellte sich, als ob er sich aus mir nicht das mindeste mache, vor mich hin und fragte:
»Gefällt es dir, Effendi?«
»Sehr! Woher hast du das Lied?«
»Selbst gemacht.«
»Sage das einem andern, aber nicht mir! Und die Melodien?«
»Selbst gemacht, erst recht!«
»Lügner!«
»Effendi, ich bin Hamsad al Dscherbaja und lasse mich nicht schimpfen!«
»Du bist Hamsad al Dscherbaja und dennoch ein großer Schlingel! Diese Melodie kenne ich.«
»So hat sie einer gesungen oder gepfiffen, der sie von mir gehört hat.«
»Und von wem hast du sie gehört?«
»Von niemand.«
»Du bist unverbesserlich, wie es scheint. Diese Melodie gehört zu einem deutschen Liede.«
»Oh, Effendi, was weißt du von Deutschland!«
»Das Lied heißt:
»Was kraucht nur dort im Busch herum? »Ich glaub’, es ist – – –«
»Hurrjes, wat is mich denn dat!« unterbrach er mich mit jubelndem Tone, da ich diese Worte in deutscher Sprache gesprochen hatte. »Sind Sie man vielleicht een Deutscher?«
»Versteht sich!«
»Wirklich? Ein deutscher Effendi? Woher denn, wenn ich fragen darf, Herr Hekim-Baschi?«
»Aus Sachsen.«
»Een Sachse! Da sollte man doch gleich vor Freede ‘n Ofen einreißen! Und Sie sind man wohl een Türke jeworden?«
»Nein. Sie sind ein Preuße?«
»Dat versteht sich! Een Preuße aus’n Jüterbock.«
»Wie kommen Sie hierher?«
»Auf der Bahn, per Schiff, per Pferd und Kamel und auch mit die Beene.«
»Was sind Sie ursprünglich?«
»Balbier unjefähr. Es jefiel mich nicht mehr derheeme, und da jing ich in die weite Welt, bald hierhin, bald dorthin, bis endlich hierher.«
»Sie werden mir das alles erzählen müssen. Wem aber dienen Sie jetzt?«
»Es ist een konstantinopolitanischer Kaufmannssohn und heeßt Isla Ben Maflei, hat schauderhaftes Jeld, dat Kerlchen.«
»Was thut er hier?«
»Weeß ich’s? Er sucht wat.«
»Was denn?«
»Wird wohl vielleicht ‘n Frauenzimmer sein.«
»Ein Frauenzimmer? Das wär’ doch sonderbar!«
»Wird aber doch wohl zutreffen.«
»Was sollte es für ein Frauenzimmer sein?«
»Ne Montenegrinerin, ‘ne Senitscha oder Senitza, oder wie dat ausjesprochen wird.«
»Wa–a–as? Senitza heißt sie?«
»Ja.«
»Weißt du das gewiß?«
»Versteht sich! Erstens hat er een Bild von
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