Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
instruierte er mich:
    »Du sollst zu ihr gehen – –«
    »Du versprachst es bereits.«
    »Und ihre Zimmer sehen – –«
    »Natürlich.«
    »Auch sie selbst – – –«
    »Verschleiert und eingehüllt.«
    »Und mit ihr sprechen.«
    »Das ist notwendig.«
    »Ich erlaube dir viel, unendlich viel, Effendi. Aber bei der Seligkeit aller Himmel und bei den Qualen aller Höllen, sobald du ein Wort sprichst, welches ich nicht wünsche, oder das Geringste thust, was dir nicht von mir erlaubt wurde, stoße ich sie nieder. Du bist stark und wohl bewaffnet, darum wird mein Dolch nicht gegen dich, sondern gegen sie gerichtet sein. Ich schwöre es dir bei allen Suwardes Kuran und bei allen Kalifen, deren Andenken Allah segnen möge!«
    Plural von Sura, die Strophe.
    Er hatte mich also doch kennen gelernt und dachte sich, daß ihm diese Versicherung mehr nützen werde, als die prahlerischsten Drohungen, wenn sie gegen mich selbst gerichtet gewesen wären. Übrigens war es mir ja gar nicht in den Sinn gekommen, ihn in seinen Rechten zu kränken; nur konnte ich mich bei seinem Verhalten je länger desto weniger einer Ahnung entschlagen, daß in seinem Verhältnisse zu der Kranken irgend ein dunkler Punkt zu finden sei.
    »Ist es Zeit?« fragte ich.
    »Komm!«
    Wir gingen. Er schritt voran, und ich folgte ihm.
    Zunächst kamen wir durch einige fast in Trümmern liegende Räume, in denen allerlei nächtliches Getier sein Wesen treiben mochte; dann betraten wir ein Gemach, welches als Vorzimmer zu dienen schien, und nun folgte der Raum, der allem Anscheine nach als eigentliches Frauengemach benutzt wurde. Alle die umherliegenden Kleinigkeiten waren solche, wie sie von Frauen gesucht und gern benutzt werden.
    »Das sind die Zimmer, welche du sehen wolltest. Siehe, ob du den Dämon der Krankheit in ihnen zu finden vermagst!« meinte Abrahim-Mamur mit einem halb spöttischen Lächeln.
    »Und das Gemach nebenan – –?«
    »Die Kranke befindet sich darin. Du sollst es auch sehen, aber ich muß mich vorher überzeugen, ob die Sonne ihr Angesicht verhüllt hat vor dem Auge des Fremden. Wage ja nicht, mir nachzufolgen, sondern warte ruhig, bis ich wiederkomme!«
    Er trat hinaus, und ich war allein.
    Also da draußen befand sich Güzela. Dieser Name bedeutet wörtlich »die Schöne«. Dieser Umstand und das ganze Verhalten des Ägypters brachte meine frühere Vermutung, daß es sich um eine ältere Person handle, ins Wanken.
    Ich ließ mein Auge durch den Raum schweifen. Es war hier ganz dieselbe Einrichtung getroffen, wie in dem Zimmer des Hausherrn: das Geländer, der Diwan, die Nische mit den Kühlgefäßen.
    Nach kurzer Zeit erschien Abrahim wieder.
    »Hast du die Räume geprüft?« fragte er mich.
    »Ja.«
    »Nun?«
    »Es läßt sich nichts sagen, bis ich bei der Kranken gewesen bin.«
    »So komm, Effendi. Aber laß dich noch einmal warnen!«
    »Schon gut! Ich weiß ganz genau, was ich zu thun habe.«
    Wir traten in das andere Gemach. In weite Gewänder gehüllt, stand eine Frauengestalt tief verschleiert an der hintern Wand des Zimmers. Nichts war von ihr zu sehen, als die kleinen, in Sammtpantoffeln steckenden Füße.
    Ich begann meine Fragen, deren Enthaltsamkeit den Ägypter vollständig befriedigte, ließ sie eine kleine Bewegung machen und bat sie endlich, mir die Hand zu reichen. Fast wäre ich trotz der ernsten Situation in eine laute Heiterkeit ausgebrochen. Die Hand war nämlich so vollständig in ein dickes Tuch gebunden, daß es ganz und gar unmöglich war, auch nur die Lage oder Form eines Fingers durch dasselbe zu erkennen. Sogar der Arm war in derselben Weise verhüllt.
    Ich wandte mich zu Abrahim.
    »Mamur, diese Bandagen müssen entfernt werden.«
    »Warum?«
    »Ich kann den Puls nicht fühlen.«
    »Entferne die Tücher!« gebot er ihr.
    Sie zog den Arm hinter die Hüllen zurück und ließ dann ein zartes Händchen erscheinen, an dessen Goldfinger ich einen sehr schmalen Reifen erblickte, welcher eine Perle trug. Abrahim beobachtete meine Bewegungen mit gespannter Aufmerksamkeit. Während ich meine drei Finger an ihr Handgelenk legte, neigte ich mein Ohr tiefer, wie um den Puls nicht bloß zu fühlen, sondern auch zu hören, und – täuschte ich mich nicht – da wehte es leise, leise, fast unhörbar durch den Schleier:
    »Kurtar Senitzaji – rette Senitza!«
    »Bist du fertig?« fragte jetzt Abrahim, indem er rasch näher trat.
    »Ja.«
    »Was fehlt ihr?«
    »Sie hat ein großes, ein tiefes Leiden, das

Weitere Kostenlose Bücher