Ein Grieche für alle Fälle (Jenseits des Olymps - Buch 1) (German Edition)
Prolog
Sophia stapfte durch den weißen Sand, ihren kleinen roten Plastikeimer in der Hand, und ging zum Wasser. Nur weil Michael zwei Monate älter war als sie, dachte er, er könne sie herumkommandieren. Jetzt wollte er, dass sie für ihn Wasser holte, damit er eine Sandburg bauen konnte. Und natürlich würde er dann dafür gelobt werden.
Sie würde ihrem schrecklichen Cousin zeigen, was er mit seinem Wasser tun konnte. Sie würde es über ihn statt in den Sand gießen. Das würde ihn lehren, sie nicht wie seine Leibeigene zu behandeln. Und sobald dieser Sommer vorbei war, würde endlich die Schule beginnen, und dann würde sie eigene Freunde haben und nicht mehr mit ihm spielen müssen.
Geschieht dir recht, Michael!
Sophia watete in das seichte Wasser, tauchte den Eimer hinein und füllte ihn bis zum Rand. Als sie sich aufrichtete, sah sie eine Bewegung aus ihrem Augenwinkel. Mehrere Meter weiter draußen im Meer versank die Schwanzflosse eines riesigen Fisches wieder unter der Wasseroberfläche. Erschrocken stolperte sie rückwärts und ließ den Eimer fallen. Er fiel ins Wasser und wurde von der nächsten Welle aus ihrer Reichweite gespült.
Sie fluchte mit dem einzigen schlimmen Wort, das sie je ihre Tante Eleni hatte sagen hören. „Scheiße!“
Sofort schlug sie ihre Hand vor den Mund und hoffte, dass niemand sie gehört hatte. Sie warf einen nervösen Blick über ihre Schulter, aber zum Glück war niemand in der Nähe. Laut Eleni durften fünfjährige Mädchen solche Worte nämlich nicht verwenden.
Ein Spritzen im Wasser brachte sie dazu, ihren Kopf nach rechts zu drehen. Und dann sah sie ihn.
Er ruhte auf einem der großen Felsen, die aus dem Wasser hervorragten. Wie ein Seelöwe lag er dort und sonnte sich. Doch sie hatte Seelöwen schon einmal gesehen – im Zoo –, und so sah er nicht aus. Nein, er sah aus wie eine ... Meerjungfrau. Aber das war unmöglich, oder? Meerjungfrauen waren Mädchen, nicht Männer.
Sophia watete durch die Brandung, um einen genaueren Blick auf den fremden Mann zu werfen.
„Bist du eine Meerjungfrau?“, fragte sie laut und winkte mit ihren Armen, damit er sie bemerkte.
Er setzte sich sofort auf, warf ihr einen erstaunten Blick zu und sprang sogleich ins Wasser.
„Warte, geh nicht!“, rief sie ihm nach. Sie hatte nicht vorgehabt, ihn zu verscheuchen.
Plötzlich fühlte sie neue Wellen gegen ihre Füße schlagen und verlor das Gleichgewicht. Sie fiel nach hinten und die Strömung zog sie in tieferes Wasser. Sie trat heftig mit den Beinen, um ihren Kopf über Wasser zu halten, doch sie hatte noch nie so viel Angst in ihrem Leben gehabt. Bevor die Strömung sie unter Wasser ziehen konnte, packten sie starke Arme und hoben sie hoch. Sophia wischte sich das Wasser aus den Augen und starrte auf ihren Retter.
Es war der Meerjungfrau-Mann – er war zurückgekommen. Sie schenkte ihm ein breites Lächeln und ihre Angst war sofort vergessen.
„Bist du eine Meerjungfrau?“, fragte Sophia ihn nochmals und begutachtete ihn. Sein Oberkörper war der eines großen Mannes, aber unter der Wasseroberfläche konnte sie die Schuppen eines Fisches und eine große Flosse sehen, die sich bewegte, als ob er Wasser trat.
Er lachte. „Nein, meine Kleine, ich bin keine Meerjungfrau.“
„Wie heißt du?“ Eleni hatte ihr gesagt, es sei unhöflich, Fremden Fragen zu stellen, aber das kümmerte sie nicht.
„Ich bin Poseidon. Und wie heißt du?“
„Sophia. Und ich bin fünf.“ Sie hob ihre Hand und zeigte ihm alle fünf Finger, um ihm zu zeigen, wie erwachsen sie schon war.
„Nun, Sophia, jetzt, da wir Freunde sind, kannst du mir was versprechen?“ Sein Blick war genauso verschwörerisch wie ihre Tante immer dreinblickte, wenn sie ihr ein großes Geheimnis mitteilte.
„Ja“, flüsterte sie und neigte ihren Kopf näher zu ihm.
„Versprich mir, niemandem zu verraten, dass du mich gesehen hast. Niemand sollte mich nämlich sehen, weil ich unsichtbar bin.“
„Aber das bist du doch nicht. Ich kann dich sehen“, protestierte sie.
Poseidon lächelte. „Ja, und das ist eine große Überraschung. Wie wär’s, wenn ich dir als Gegenleistung auch was verspreche?“
Sophia horchte auf. Ein Geschenk? Ein neues Spielzeug? „Ja?“
„Du versprichst mir, dass du niemandem sagst, dass du mich gesehen hast, und ich werde dich eines Tages mit meinem Sohn spielen lassen. Einverstanden?“
Sie war ein harter Verhandlungspartner. „Wann?“
„Wann was?“
„Wann darf
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