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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einem engen Thale still, wo sie abstieg und sich auf den Boden niedersetzte.
    »Setze dich zu mir und laß uns plaudern,« sagte sie.
    Sie wurde mir immer rätselhafter, doch kam ich ihrer Aufforderung nach.
    »Hältst du deinen Glauben für den allein richtigen, Effendi?« begann sie die eigentümliche Unterhaltung.
    »Gewiß!« antwortete ich.
    »Ich auch,« bemerkte sie ruhig.
    »Du auch?« fragte ich verwundert; denn es war das erste Mal, daß ein muselmännischer Mund mir gegenüber ein solches Bekenntnis aussprach.
    »Ja, Effendi, ich weiß, daß nur deine Religion die richtige ist.«
    »Woher weißt du es?«
    »Von mir selbst. Der erste Ort, an dem es Menschen gab, war das Paradies; dort lebten alle Geschöpfe bei einander, ohne sich ein Leides zu thun. So hat es Allah gewollt, und daher ist auch diejenige Religion die richtige, welche das gleiche gebietet. Das ist die Religion der Christen.«
    »Kennst du sie?«
    »Nein; aber ein alter Türke hat uns einst von ihr erzählt. Er sagte, daß ihr betet zu Gott: ›Ile unut bizim günahler, böjle unutar-iz günahler‹ – Ist dies richtig?«
    Und vergieb du unsere Sünden, wie auch wir die Sünden vergessen.
    »Ja.«
    »Und daß in eurem Kuran steht: ›Allah muhabbet dir, ile muhabedda kim durar, bu durar Allahda ile Allah durar onada.‹– Sage mir, ob das auch richtig ist!«
    Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der ist in Gott und Gott in ihm.
    »Auch das ist richtig.«
    »So habt ihr den richtigen Glauben. Darf ein Christ eine Jungfrau rauben?«
    »Nein. Wenn er es thäte, so würde er eine schwere Strafe erhalten.«
    »Siehst du, daß eure Religion besser ist, als unsere? Bei euch hätte Abu-Seïf mich nicht rauben und zwingen dürfen, sein Weib zu sein. Kennst du die Geschichte dieses Landes?«
    »Ja.«
    »So weißt du auch, wie die Türken und Ägypter gegen uns gewütet haben, trotzdem wir eines Glaubens sind. Sie haben unsere Mütter geschändet und unsere Väter zu Tausenden auf die Pfähle gespießt, gevierteilt, verbrannt, ihnen Arme und Beine, Nasen und Ohren abgeschnitten, die Augen ausgestochen, ihre Kinder zerschmettert oder zerrissen. Ich hasse diesen Glauben, aber ich muß ihn behalten.«
    »Warum mußt du ihn behalten? Es steht dir zu jeder Zeit – –«
    »Schweige,« unterbrach sie mich barsch. »Ich sage dir meine Gedanken, aber du sollst nicht mein Lehrer sein! Ich weiß selbst, was ich thue: ich werde mich rächen – rächen an allen, die mich beleidigt haben.«
    »Und dennoch meinst du, daß die Religion der Liebe die richtige sei?«
    »Ja; aber soll ich allein lieben und verzeihen? Sogar dafür, daß wir die heilige Stadt nicht betreten dürfen, werde ich mich rächen. Rate, wie?«
    »Sage es!«
    »Es ist dein heimlicher Wunsch, Mekka zu betreten?«
    »Wer sagt dir das?«
    »Ich selbst. Antworte mir!«
    »Ich wünsche allerdings, die Stadt sehen zu können.«
    »Das ist sehr gefährlich; aber ich will mich rächen und habe dich deshalb an diesen Ort geführt. – Würdest du die Gebräuche mitmachen, wenn du in Mekka wärest?«
    »Es wäre mir lieb, dies vermeiden zu können.«
    »Du willst deinen Glauben nicht beleidigen und thust recht daran. Gehe nach Mekka; ich werde hier auf dich warten!«
    War dies nicht sonderbar? Sie wollte sich am Islam dadurch rächen, daß sie seine heiligste Stätte durch den Fuß eines Ungläubigen entweihen ließ. Als Missionär hätte ich hier eine Aufgabe lösen können – freilich nur mit großem Aufwande an Zeit und Mühe; als »Weltbummler« war mir dies unmöglich.
    »Wo liegt Mekka?« fragte ich.
    »Wenn du diesen Berg überschreitest, siehst du es im Thale liegen.«
    »Warum soll ich gehen und nicht reiten?«
    »Wenn du geritten kommst, wird man einen Pilger in dir vermuten und dich nicht unbeachtet lassen. Betrittst du aber zu Fuße die Stadt, so wird ein jeder meinen, daß du bereits dort gewesen seiest und nur einen Spaziergang gemacht habest.«
    »Und du willst wirklich auf mich warten?«
    »Ja.«
    »Wie lange?«
    »Eine Zeit, welche ihr Franken vier Stunden nennt.«
    »Das ist sehr kurz.«
    »Bedenke, daß du sehr leicht entdeckt werden kannst, wenn du lange verweilst. Du darfst nur einmal durch die Straßen gehen und die Kaaba sehen; das ist genug.«
    Sie hatte recht. Es war doch gut gewesen, daß ich beschlossen hatte, mich von dem Augenblick leiten zu lassen. Ich erhob mich. Sie deutete auf meine Waffen und schüttelte den Kopf.
    »Du gleichest ganz und gar einem

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