Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
ein, und nur die Schorlemmer sagte: »Was werden wir da wieder hören müssen!«
Dann nahm Seidentopf das Blatt zurück und begann ohne weitere Säumnis oder Vorrede:
»Bei meinem Ableben einzuhaltende Bestimmungen .
Ich fürchte den Tod. Aber diese Furcht hält mich nicht ab, ihm ins Gesicht zu sehen. Er ist das Unvermeidliche. Und so bestimme ich, Amelie von Pudagla, geb. von Vitzewitz, in nachstehendem wie folgt:
Erstens . Ich will in meiner Witwentracht in einen Sarg von Zedernholz gelegt und sodann aufgebahrt in die große Halle gestellt werden, da, wo der Faun steht. Dieser muß sich, solang es dauert, an einem andern Orte behelfen.«
»Da wo der Faun steht«, wiederholte die Schorlemmer und klapperte mit ihren Nadeln.
Seidentopf fuhr fort:
»Zweitens . Den vierten Tag, bei Sonnenuntergang, will ich begraben werden, aber nicht in der Kirche, auch nicht in der angebauten Derfflingergruft, sondern im Guser Schloßpark, und zwar in dem kleinen Zedernhain, den sie Neulibanon nennen.
Drittens . Es soll auf dem Wege vom Schlosse bis in den Park, unter Vorantritt Nipplers, von allen Dorfkindern das Lied: ›Was Gott tut, das ist wohlgetan‹, gesungen werden. Aber nicht: ›O Haupt voll Blut und Wunden‹. Dies verbiete ich ausdrücklich.«
Alle schienen von dieser Bestimmung überrascht und sahen sich untereinander an, schwiegen aber. Nur die Schorlemmer sagte: »Mein Gott, was ihr das schöne Lied nur getan hat! Ich hätte keine Ruh’ im Grabe, wenn ich so was in meinem Letzten Willen niedergeschrieben hätte. Renate, Kind, daß du mir dafür sorgst, daß das Lied gesungen wird. Ich meine bei mir.«
»Ich werd’ es, liebe Schorlemmer. Aber hören wir weiter.«
» Viertens . Am Grabe soll der Prediger eine kurze Ansprache halten, und dabei soll er mich nicht loben wegen dessen, was ich auf Erden gewesen bin oder getan habe, vielmehr soll er nur sagen, daß mir alles Versteckte, Unklare und Erheuchelte all mein Lebtag zuwider gewesen ist. Dies soll er sagen nicht mir zum Ruhme, sondern weil es die Wahrheit ist.
Fünftens . Es soll ein Granitblock auf mein Grab gelegt und seinerzeit eine Metalltafel mit folgender Grabinschrift eingelegt werden:
L’éloge ou le blâme ne touchent plus celui
Qui repose dans l’éternité.
L’espérance embellit ma vie et m’accompagne en mourant.
Sechstens . Faulstich, dem ich mein Miniaturbild mit der Rubineneinfassung hinterlasse, soll eine Kantate dichten, und Nippler (der ein Douceur von zehn Dukaten empfängt) soll diese Kantate komponieren. Sie mag, je nach Befinden, am Grabe oder aber in der Guser Kirche am dritten Sonntage nach meinem Begräbnis gesungen werden.
Siebentens . Am dritten Tage nach meiner Beisetzung und dann alljährlich an meinem Todestage sollen die Schulkinder gespeist und zwölf Dorfarme neu gekleidet werden.
Achtens . Mit Ausführung dieser Bestimmungen betraue ich meinen Bruder Berndt von Vitzewitz, ehemals Major im Dragonerregiment von Knobelsdorff, Erbherr auf Hohen-Vietz.«
Seidentopf, als er gelesen, faltete das Blatt wieder zusammen, und die Schorlemmer, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, murmelte vor sich hin: »Da kommt selbst Faulstich wieder zu Ehren.«
Lewin lächelte. Er hatte sich schon vorher von Paragraph zu Paragraph immer mehr erheitert und sagte jetzt ruhig: »Du hattest immer deinen kleinen Krieg mit der Tante drüben. Solange sie lebte, war das gut; nun aber ist sie tot, das ändert viel, und ich glaube, wir müssen sie schließlich gelten lassen.«
Die Schorlemmer schüttelte den Kopf.
»Du schüttelst den Kopf«, fuhr Lewin fort, »aber das überzeugt mich nicht. In allem, worin sie uns mißfiel, hat sie sich jetzt an anderer Stelle zu verantworten; sie weiß jetzt mehr als wir und ist unserem Urteil in allem, was jenseits liegt, entrückt. Unsere Meinung über sie hat sich nur noch auf das zu beschränken, was sie diesseits war und bedeutete. Und das hatte sein Gewicht. Gewiß, ihre Schwäche war der Glaube, aber ihre Stärke war der Mut. ›Ich marchandiere nicht‹, pflegte sie zu sagen. Und alles, was wir eben gehört haben, führt uns den Beweis, daß sie sich bis zuletzt nicht handeln ließ und sich und ihrem Unglauben treu zu bleiben verstand.«
Lewins blasses Gesicht hatte sich, während er sprach, gerötet. Als er jetzt schwieg, erklärte Seidentopf seine volle Zustimmung. Ein solches tapferes Bekenntnis des Unglaubens, alles Ausharren bis ins Angesicht des Todes hinein, habe seinen Beifall und
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