Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
klar sah er drüben den Feind . In Trupps von zehn und zwanzig Mann standen die Voltigeurs am Ufer hin, ersichtlich ohne Führung. Aber diese sollte nicht lange mehr auf sich warten lassen; Offiziere zu Pferde jagten am Kai hin auf und ab, aus dem Gassengewirr der Dammvorstadt lärmten Trommeln und Hörner, und ehe zehn Minuten um waren, erschienen geschlossene Grenadierkompanien, an ihren hohen Bärenmützen deutlich erkennbar, und nahmen Stellung zwischen der Brücke und dem brennenden Holzhof, während die Voltigeurs allmählich die Böschung hinabzusteigen und einen Weg über das Eis hin zu gewinnen suchten. Mit vielem Geschick avancierten sie, je nach den Signalen sich sammelnd oder wieder trennend, und stutzten erst, als sie mitten auf dem Fluß der breiten Rinne gewahr wurden, die die Kietzer Fischer in das Eis gehauen hatten. An Überspringen war nicht zu denken, dazu war die Rinne zu breit; so mußten sie wieder zurück, um entweder Bretter herbeizuschaffen oder weiter flußabwärts, wo das Aufeisen mutmaßlich ein Ende hatte, den Übergang zu versuchen.
Bamme sah diese Rückwärtsbewegung und freute sich ihrer. Aber so viel sie für den Augenblick bedeutete, so bedeutungslos war sie, wenn die Hilfe ausblieb, auf die diesseitig gerechnet war. Waren die Russen in die Dammvorstadt eingedrungen? Hatten sich die Barnimschen Bataillone der beiden andern Stadttore bemächtigt? Bammes scharfes Ohr horchte nach rechts und links, aber kein Ton wurde laut, der ihm diese Frage bejaht hätte. Immer gewisser wurd’ es ihm, daß er, wenn Tschernitscheff ausblieb, in diesem ungleichen Kampfe unterliegen müsse.
Das Bild, das sich ihm mittlerweile darstellte, konnte dieser trüben Erwartung nur als Bestätigung dienen. Die bis an die Rinne vorgedrungenen Voltigeurs waren kaum wieder am Ufer zurück, als sie mit der dem französischen Soldaten eigenen Raschheit sich in ihrer Lage zurechtzufinden und allerlei Hilfen auszukundschaften wußten. Ohne Kommandos abzuwarten, griffen sie nach dem, was der Moment erheischte, und während einige zupackten, um ein paar der am Ufer liegenden Flachboote die Böschung hinab und auf das Eis zu schieben, hatten sich andere der an den Pappelweiden hin aufgestellten Bootshaken bemächtigt, mit denen sie nun auf den brennenden Holzhof zuliefen und oben in die Bohlen- und Bretterlager einhakten, um diese niederzureißen. Es glückte. Viele dieser Bretter waren erst angeglimmt, und sie rasch durch den Schnee ziehend, bis die Flämmchen erloschen waren, schleppten sie sie jetzt über das Eis hin bis wieder in die Mitte des Flusses, wo denselben Augenblick auch ein paar eben eingetroffene Flachboote rasch und geschickt in die Wasserrinne hinabgelassen wurden. In weniger als einer Viertelstunde war die Pontonbrücke fertig, und über dieselbe weg avancierten jetzt die Vordersten, während sich vom Ufer her immer größere Voltigeurtrupps und zuletzt auch geschlossene Grenadierkompanien in Bewegung setzten. En avant! Und dazwischen am Kai hin und auf dem Eise das Schmettern der Clairons.
Diesseits aller örtlichen Vorteile beraubt, mußte sich’s nun zeigen, wer der Stärkere sei. Der erste Ansturm, der sich gegen die Frankfurter richtete, mißlang; aber ohne durch dieses abermalige Scheitern in die geringste Verwirrung zu geraten, schoben sich die französischen Kolonnen einfach weiter links, wo mehrere nebeneinanderliegende Holz- und Torfkähne ihnen eine vorzügliche Deckung gewährten. Um so vorzüglicher, als die Schiffsrumpfe gerade mannshoch waren, so daß die Angreifer kaum getroffen werden konnten.
Über diese Schiffsrumpfe hinweg entspann sich nun ein Feuergefecht, dessen endlicher Ausgang um so weniger zweifelhaft sein konnte, als die hier stehenden Pikeniere den Kampf nicht nur ohne Deckung führen, sondern, schlimmer als das, auch das feindliche Feuer aushalten mußten, ohne es ihrerseits erwidern zu können. Der Mut der Rutzeschen sah sich hier auf eine harte Probe gestellt. Sie kamen zuletzt ins Schwanken, und da Vitzewitz Anstand nahm, sich an die neben ihm stehenden Drosselsteinschen um Hilfe zu wenden, die bei der immer wachsenden Ausdehnung des Gefechts jeden Augenblick selbst angegriffen werden konnten, entschloß er sich, auf eigene Verantwortung bis an die Torwache zurückzureiten und seine daselbst untätig haltenden Hohen-Vietzer heranzuholen.
Auch Bamme, von seiner Brückenstellung aus, hatte die Rückwärtsbewegung der Rutzeschen Pikenmänner wahrgenommen, und in
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