Delphi Saemtliche Werke von Theodor Fontane (Illustrierte) (German Edition)
richtig wäre, so bliebe dieser Erziehungseinfall – denn etwas Erzieherisches sollte es im Letzten doch sein – in meinen Augen immer noch ebenso verfehlt. Ich konnte mich doch nicht plötzlich umwandeln; ich blieb, meinetwegen leider, genau derselbe Empfindling, der ich war, nichts an und in mir wurde besser, ich hatte nichts davon als eine Kränkung und ein verdorbenes Fest. Es gibt nun mal verschiedene Naturen, und wenn es geboten sein mag, schwächer Ausgestattete zu kräftigen und zu stählen, auch wenn es diesen zunächst wehe tut, so ist doch, von den sonstigen Schwierigkeiten der Sache ganz abgesehn, die Stunde, wo der Weihnachtsbaum angezündet wird, sicherlich nicht der Zeitpunkt dafür. Es soll an diesem Abend nicht erzogen, sondern erfreut werden, und der, dem diese Aufgabe zufällt und der sich ihr noch dazu freudig und liebevoll zu unterziehen trachtet, der muß sich doch notwendig die Frage vorlegen, ob der zu Erfreuende an dem, wodurch man ihn erfreuen will, auch wirklich eine Freude haben kann.
Überhaupt, der Abend, an dem dies spielte, war kein rechter Glücksabend.
Es gibt eine kleine Geschichte, die sich, wenn ich nicht irre, »Die Pantoffeln des Kasan« betitelt. Gerade damals mußte ich diese, die mutmaßlich aus Tausendundeiner Nacht herübergenommen war, aus meinem französischen Lesebuche übersetzen. Es handelt sich darin um ein Paar hübsche Pantoffeln, die jeder gern haben möchte; sobald er sie aber hat, bringen sie ihm bloß Unglück. Ähnlich erging es mir mit den Korbsäbeln – ich wollte sie haben, und als ich sie hatte, brach das Unheil über mich herein. Allerdings war mir bis zu Eintritt der eigentlichen Katastrophe noch eine kurze Frist gegönnt, während welcher ich mich – nach Überwindung des ersten Ärgers am Weihnachtsabend selbst – wenigstens zeitweilig noch in der Vorstellung wiegen durfte, mich meines Weihnachtsgeschenkes freuen zu können. Dies hatte seinen Grund in folgendem. Es war schon Jahr und Tag, daß ich, modern zu sprechen, auf nichts Geringeres als auf eine Armeeorganisation hinarbeitete. Dublierung meiner Streitkräfte wäre mir natürlich das Liebste gewesen, da sich das aber verbot, so war ich auf Neubewaffnung und mit Hilfe dieser auf eine neue Taktik, überhaupt auf ein neues Heer- und Kriegssystem aus. Der bis dahin in meiner ausschließlich mit Speer oder Lanze bewaffneten Truppe vorherrschende Gedanke war, weil ich eine heilige Scheu vor ausgestoßenen Augen hatte, durchaus auf Defensive gerichtet gewesen und der Weisung geführt, in kritischen Momenten immer nur mit Rücken an Rücken die Speere vorzustrecken, also das zu bilden, was in der Landsknechtszeit ein Igel genannt wurde. Danach war denn auch jederzeit verfahren worden. Aber jetzt, wo die zwei Korbsäbel da waren, war es mir klar, daß es mit dem alten System vorbei sein müsse. Das beständige Stillstehen und Abwarten des feindlichen Angriffs war langweilig und unmännlich zugleich. Und so wurde denn beschlossen, bei der gesamten Truppe statt des Speeres den ganz auf Attacke gestellten Korbsäbel und statt des unbequemen, hohen, viereckigen Schildes einen kleinen Rundschild einzuführen, nur gerade groß genug, das Gesicht zu decken. Es glückte das auch alles. Die Beschaffung der Säbel wurde mit Hilfe verschiedentlich erneuten Vorgehens gegen die mütterliche Wirtschaftskasse durchgesetzt, und die Herstellung der Rundschilde war meine Sache. Lange bevor Ostern da war, war, was Bewaffnung angeht, der Übergang aus dem einen System ins andere bewerkstelligt. Ich versprach mir viel davon, und der Umstand, daß die jeden Mittwoch- und Sonnabendnachmittag nach wie vor von uns bezogenen »Campements« ohne Störung oder Angriff von seiten unserer Feinde – trotzdem sich etliche große, halbwachsene Jungen mit schottischen Mützen unter ihnen gezeigt hatten – verstrichen waren, bestärkte mich darin, daß wir angefangen hätten, der uns feindlichen Straßenjungenwelt zu imponieren.
Eine Weile blieb ich auch noch in dieser Täuschung. Aber, wie schon angedeutet, auch wirklich nur eine kleine Weile.
Das Kampieren im Freien war jedesmal ein unendlicher Genuß für mich. Wir hatten verschiedene Lagerstellen; eine war in den tiefen Sandgruben am Kirchhof, eine zweite zwischen den Dünen (in Nähe der Stelle, wo Mohr eingescharrt worden war) und eine dritte, mehr landeinwärts, in den Moorgründen, die sich mit ihren hundert Torfpyramiden und ebenso vielen dunklen Wasserlachen von
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