Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Sein schönes Haus am Regents-Park ward zum Treffpunkt der guten Gesellschaft und der zeitgenössischen Geistesgrößen.
1837 bis 1839 schrieb Dickens seinen zweiten Roman »Oliver Twist«, der die Erlebnisse, das Ringen und Streben eines Jungen aus den unteren Volksschichten zum Inhalt hat. Er ist wie der dritte Roman »Nicolas Nickleby« ein Entwicklungsroman; auch dieser stellt den Werdegang eines jungen Menschen mit Menschlichkeit, Wärme und Humor dar. Dickens schuf seine Werke, ähnlich wie Scott, sich naiv der Phantasie überlassend: er war ebenso wie das Publikum darauf gespannt, wie seine Romane enden würden. Seine weiteren Werke waren teils erschütternde Dokumente über das Elend der damals rasch emportreibenden Fabrikstädte, teils humoristisch-gütige Mahnungen, diesen Nöten zu steuern. Namentlich eine Reise nach Amerika bestärkte diese Tendenzen in Dickens Schriften. So klingt die Nächstenliebe in seinen Weihnachtserzählungen ( A Christmas carol ) wunderbar erwärmend und herzlich wieder. In gleicher Weise ist der Roman »Zwei Städte« ein schönes Zeugnis für Dickens Kunst, tief ins volle Menschenleben zu führen und zugleich den Leser ethisch zu bereichern.
1849 bis 1850 folgte der große autobiographische Roman »David Copperfield«, in dem Dickens viel von seinem persönlichen Leben berichtet. Welche Fülle an Produktivität, an Arbeit und Gestaltungskraft zeigen diese ersten Jahrzehnte des Schriftsteller! Aber in jenen Zeiten hat sich der Dichter auch übernommen und seine Kräfte für späteres Schaffen geschwächt. 1845 war er außerdem Redakteur der neubegründeten Zeitung » Daily News « geworden, und seit 1849 leitete er eine Wochenschrift, die unter dem Titel » All the Year round « vieles aus seiner Feder brachte. Er verfaßte eine behaglich plaudernde, anschauliche und lebendige Geschichte Englands ( A childs history of England ), und sein letzter großer Roman war »Little Dorrit«, in dem er diesmal das Schicksal und die Entwicklung eines gleichfalls aus ärmlichen widrigen Verhältnissen sich emporkämpfenden Mädchens zum Inhalt einer menschlich tief angelegten, dramatisch bewegten Erzählung machte.
Seine Familienverhältnisse bereiteten ihm in späteren Jahren oft trübe Stunden. 1858 trennte er sich von seiner Frau. Er schuf sich eine herrliche Besitzung Gadshill Place; aber seine innere Rastlosigkeit ließ ihn nicht zum ruhigen Genuß des Errungenen kommen. Er ging jetzt auf Reisen und hielt Vorlesungen aus seinen Werken in London, Schottland, Irland und Nordamerika. Bis an sein Lebensende blieb er ein Menschenfreund, der durch mancherlei gute Stiftungen seine Gesinnung in die Tat umsetzte. Von Ehren überhäuft starb er am 9. Juni 1870 und ward in der Westminster-Abtei zu London beigesetzt.
Den in den ersten beiden Bänden dieser Dickensausgabe erscheinenden »Pickwickiern« ist die Übersetzung von Dr. Kolb (Hoffmannsche Buchhandlung 1855) zugrunde gelegt. Sie ist entsprechend den anfangs dieser Einleitung gemachten Bemerkungen gründlich revidiert und durchgehend mit dem englischen Original verglichen worden. Dabei ist das sprachliche Gewand stark umgestaltet und das Ganze ist in modernes Deutsch gebracht worden. Die Anmerkungen, die dem Verständnis des zeitgeschichtlichen Hintergrundes dienen, dürften allen Lesern willkommen sein. Bei der Textrevision fand ich freundliche Unterstützung durch Frau Clara Weinberg , Hamburg, der ich auch an dieser Stelle herzlich danke.
Und nun, verehrte Freunde und Freundinnen eines unverwüstlichen Humors, bringt Zeit mit – denn Zeit und Muße gehören zum richtigen Auskosten des Gebotenen. Am besten ist ein stiller Nachmittag, wenn’s draußen stürmt, regnet oder schneit. Dann wird Dickens schon dafür sorgen, daß im Herzen der Leser sich die Heiterkeit der Augustsonne, die er so besonders liebte, zärtlich und lösend verbreitet.
Dresden, im Frühherbst 1926.
P. Th. H.
Dickens Vorrede zu den »Pickwickiern«.
Der Verfasser hatte bei diesem Werke die Absicht, dem Leser eine fortlaufende Serie von Persönlichkeiten und Ereignissen vorzuführen, diese mit möglichst frischen Farben zu malen, und ihnen zugleich dadurch Interesse zu verleihen, daß sie dem wirklichen Leben einen Spiegel vorhalten.
Indem er sich anfangs bei seiner Arbeit den Ansichten anderer fügte, ließ er das Ganze zunächst von einem Klub ausgehen; ein Kunstgriff, der ihm als der seinem Zwecke entsprechendste an die Hand gegeben wurde. Weil er aber
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