Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
Handschuhmacher, der sich vom Geschäft zurückgezogen hatte, Witwer mit drei erwachsenen und unverheirateten Töchtern, und wohnte in Cursitor-Street, Chancery-Lane. Er war kurz und dick, hatte ein Vollmondgesicht und einen Bauch, trug einen breitrandigen Hut und einen karierten Rock, und hatte den, alten Knaben überhaupt eigentümlichen, bedächtigen, selbstzufriedenen, wiegenden Gang. Er lebte regelmäßig wie ein Uhrwerk – Frühstück um neun Uhr – Ankleiden und ein wenig Toilette machen – Gang in irgend jemands Kopf (Mohren-, Adler- oder Löwenkopf) – Glas Ale und die Zeitung – Spaziergang mit den Töchtern – Mittagessen um drei Uhr – Glas Grog und Pfeife – Schläfchen – Tee – kleiner Spaziergang – abermaliger Kopfbesuch – vortreffliches Haus! – köstliche Abende und wundervolle Gesellschaft, als: Mr. Harris, der Buchhändler, und Mr. Jennings, der Robenmacher (zwei fidele junge Kerlchen wie er selbst), und Jones, der Advokatenschreiber – ein schnurriger Kauz, der Jones – prachtvoller Gesellschafter – steckt ganz voll von Anekdoten. Und da saßen sie jeden Abend bis genau zehn Minuten vor zwölf Uhr, tranken ihren Branntwein mit Wasser, rauchten ihre Pfeifen, erzählten einander Geschichten und genossen einander mit einer Art absonderlich erbaulicher, feierlicher Vergnüglichkeit.
Bisweilen schlug Jonas einen Halbpreisbesuch in Drury-Lane oder Covent-Garden vor, zwei Akte eines fünfaktigen Schauspiels und eine neue Posse oder ein Ballett zu sehen, und dann gingen alle vier miteinander – ohne sich wie Toren zu übereilen; denn sie tranken erst mit gemächlicher Würde ihre Gläser aus, bestellten Steak und einige Austern auf nachher und begaben sich sodann langsam-feierlich in das Parterre, nachdem sich der Andrang verlaufen hatte, wie es alle vernünftigen Leute tun und auch taten, als Mr. Dounce noch ein junger Mann war, ausgenommen damals, als der berühmte Wunderknabe Mr. Betty auf dem Höhepunkte seiner Popularität stand, wo sich Mr. Dounce, wie er sich auf das genaueste erinnerte, einen freien Tag machte, um elf Uhr vormittags an die Tür des Schauspielhauses ging, mit ein paar Sandwiches in einem Taschentuche und ein paar Tropfen Wein in einem Fläschchen bis sechs Uhr abends wartete und vor Hitze und Ermüdung ohnmächtig wurde, ehe das Schauspiel seinen Anfang nahm, bis er in diesem Zustande aus dem Parterre in eine Loge des ersten Ranges gehoben wurde, mein Bester, und zwar von fünf der berühmtesten Schönheiten jener Zeit, mein Bester, die sich seiner so huldreich annahmen, ihn durch Riechsalze zur Besinnung zurückbrachten und am folgenden Morgen einen sechs Fuß hohen, schwarzen Diener in blau und silberner Livree schickten und ihn grüßen und sich nach seinem Befinden erkundigen ließen, Verehrtester – bei Gott! In den Zwischenakten pflegten die Herren Dounce, Harris und Jennings aufzustehen und im Hause umherzuschauen, und Jones – das Allerweltskerlchen kannte jedermann – zeigte dann den andern die vornehme und berühmte Lady Soundso in der Loge, worauf Mr. Dounce durch sein Haar fuhr, sein Halstuch zurechtzupfte, besagte Lady Soundso durch ein ungeheures Glas beäugelte und bemerkte, daß sie »eine schöne – in der Tat eine sehr schöne Frau sei« – oder »daß sie etwas voller sein könnte«, oder was ihm sein Genius sonst eben eingab. Wenn das Ballett begann, so zeigten sich John Dounce und die anderen alten Knaben ganz ausnehmend begierig, zu sehen, was auf der Bühne vorging, und Jones – ein witziger Bursche, der Jones – flüsterte John Dounce kleine, kritische Bemerkungen ins Ohr, die John Dounce wieder den andern beiden alten Knaben mitteilte, und dann lachten sie alle vier, daß ihnen die Tränen über die Wangen herunterliefen.
War der Vorhang gefallen, so gingen sie miteinander je zwei und zwei zu ihrem Steak und ihren Austern zurück; und wenn sie sich ihr zweites Glas Branntwein mit Wasser bringen ließen, dann erzählte Jones – der in schelmischem Aufziehen seinesgleichen suchte –, wie er eine Dame mit weißen Federn in einer Parterreloge bemerkt, die den ganzen Abend kein Auge von Mr. Dounce abgewendet, und wie er Mr. Dounce in einem Moment, wo er sich unbeachtet gewähnt hätte, der Dame hinwiederum leidenschaftliche Blicke habe zuwerfen sehen. Darüber lachten Mr. Harris und Mr. Jennings ausgelassen, und John Dounce schlug ein noch ausgelasseneres Gelächter auf, erklärte dabei jedoch, daß es freilich eine Zeit gegeben
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