Delphi Werke von Charles Dickens (Illustrierte) (German Edition)
überzeugt, daß sein Freund Dobble so hoch über jedem Manne stehe, den er je gekannt, als Mrs. Dobble alle Damen, die er jemals gesehen hätte (ihre Töchter ausgenommen) überrage, und will damit schließen, daß er die Gesundheit vorschlägt: »Die ehrenwerten Wirte, und mögen sie noch viele glückliche und frohe Jahre leben!«
Die Gesundheit wird mit Jubel getrunken – der Wirt dankt – und die ganze Gesellschaft verfügt sich zu den Damen. Junge Herren, die vor dem Abendessen zum Tanzen zu schüchtern waren, finden Zungen und Tänzerinnen; die Musiker verraten durch unzweideutige Symptome, daß sie in das neue Jahr »hinein« getrunken haben, während die Gesellschaft draußen gewesen, und das Tanzen hat seinen Fortgang bis spät in den Neujahrsmorgen hinein.
Wir haben kaum das letzte Wort des letzten Absatzes niedergeschrieben, als der erste Schlag der Mitternachtsstunde von den Kirchen umher ertönt. Es liegt etwas Schaurigfeierliches in dem Klang. Genaugenommen mag er in der Neujahrsnacht nicht herzbewegender sein als in jeder anderen, und die Stunden entfliehen zu anderen Zeiten ebenso rasch, und wir beachten ihre Flüchtigkeit nur wenig. Allein, wir messen unser Leben eben nach Jahren; ernst und feierlich sind darum die Töne, die uns verkünden, daß wir abermals an einer der zwischen uns und dem Grabe errichteten Marken stehen, und ob und wie wir uns seiner auch erwehren möchten, unwiderstehlich drängt sich uns der Gedanke auf, daß wir, wenn die Glocke abermals ein neues Jahr verkündigt, die so oft vernachlässigte Mahnung vielleicht nicht mehr vernehmen, daß vielleicht alle jetzt noch in uns glühenden warmen Gefühle erloschen sind.
Doch es hat zwölf Uhr geschlagen, und die das neue Jahr begrüßenden Glocken klingen lustig zusammen. Hinweg denn mit allen düstern Betrachtungen! Wir waren glücklich und froh im vergangenen und werden froh und glücklich, so es Gott gefällt, auch in diesem Jahre sein. Und da wir allein sind und es weder tanzend noch singend empfangen können – wohlan! das Glas an die Lippen, und: Sei herzlich willkommen, du Jahr Eintausendachthundertsiebenunddreißig! Wenn es unsere Aufgabe wäre, die Gesellschaft zu klassifizieren, so würden wir eine gewisse besondere Art von Leuten sogleich unter den Titel: »Alte Knaben« bringen; und sie würden eine beträchtliche, lange Spalte erfordern. Welcher Ursache das rasche Zunehmen der Alte-Knaben-Bevölkerung zuzuschreiben ist, dies vermögen wir nicht zu sagen. Eine Nachforschung darüber dürfte zu interessanten und merkwürdigen Ergebnissen führen; allein wir haben hier den Raum nicht, sie anzustellen, und begnügen uns daher mit einfacher Angabe der Tatsache, daß sich die Zahl der alten Knaben seit den letzten Jahren allmählich vergrößert hat und in diesem Augenblicke in einem beunruhigenden Maße zunimmt.
Die Sache nur im allgemeinen genommen, möchten wir die alten Knaben in zwei genau unterschiedenen Abteilungen unterbringen – die der munteren und die der gesetzten alten Knaben. Jene sind hanswurstige alte und spielen die jungen Männer, frequentieren bei Tage den Quadranten und Regent-Street und abends die Theater (besonders die unter Damenleitung stehenden) und nehmen die ganze Geckenhaftigkeit und Leichtfertigkeit der jungen Leute an, ohne die Entschuldigung der Jugend und Unerfahrenheit für sich zu haben. Diese, die gesetzten alten Knaben, sind dicke alte Herren, tragen sich reinlich, besuchen jeden Abend zu denselben Stunden dieselben Gasthäuser und rauchen und trinken in derselben Gesellschaft.
Man fand einst alle Abende zwischen halb neun und halb zwölf Uhr eine schöne Sammlung alter Knaben an dem runden Tische in Offleys Restauration. Wir haben sie seit einiger Zeit aus den Augen verloren, aber im »Regenbogen« in der Fleetstraße sieht man noch zwei köstliche Exemplare in voller Blüte, die unabänderlich in dem Verschlag zunächst dem Kamin sitzen und aus so langen Kirschrohren rauchen, daß die Pfeifenköpfe auf dem Boden ruhen. Sie sind stolze, alte Knaben – wohlbeleibt, rotwangig, weißköpfig – fehlen niemals – nehmen stets ihre bestimmten Plätze einander gegenüber ein – schmauchen und trinken tapfer darauflos, ohne das mindeste Unbehagen deswegen zu empfinden – jedermann kennt sie, und von einigen werden sie für unsterblich gehalten.
Mr. John Dounce war ein alter Knabe der letzteren Klasse (der der gesetzten – nicht daß er unsterblich gewesen wäre), ein
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