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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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wußte als ich selber? Kräftig schlug mir Demian auf die Schulter.
    »Es stimmt also. Ich konnte mir’s denken. Jetzt bloß noch eine einzige Frage: weißt du, wie der Junge heißt, der da vorhin wegging?«
    Ich erschrak heftig, mein angetastetes Geheimnis krümmte sich schmerzhaft in mir zurück, es wollte nicht ans Licht.
    »Was für ein Junge? Es war kein Junge da, bloß ich.«
    Er lachte. »Sag’s nur!« lachte er. »Wie heißt er?«
    Ich flüsterte: »Meinst du den Franz Kromer?«
    Befriedigt nickte er mir zu.
    »Bravo! Du bist ein fixer Kerl, wir werden noch Freunde werden. Nun muß ich dir aber etwas sagen: dieser Kromer, oder wie er heißt, ist ein schlechter Kerl. Sein Gesicht sagt mir, daß er ein Schuft ist! Was meinst du?«
    »O ja«, seufzte ich auf, »er ist schlecht, er ist ein Satan! Aber er darf nichts wissen! Um Gottes willen, er darf nichts wissen! Kennst du ihn? Kennt er dich?«
    »Sei nur ruhig! Er ist fort, und er kennt mich nicht – noch nicht. Aber ich möchte ihn ganz gern kennenlernen. Er geht in die Volksschule?«
    »Ja.«
    »In welche Klasse?«
    »In die fünfte. – Aber sag ihm nichts! Bitte, bitte sag ihm nichts!«
    »Sei ruhig, es passiert dir nichts. Vermutlich hast du keine Lust, mir ein wenig mehr von diesem Kromer zu erzählen?«
    »Ich kann nicht! Nein, laß mich!« Er schwieg eine Weile.
    »Schade«, sagte er dann, »wir hätten das Experiment noch weiter führen können. Aber ich will dich nicht plagen. Aber nicht wahr, das weißt du doch, daß deine Furcht vor ihm nichts Richtiges ist? So eine Furcht macht uns ganz kaputt, die muß man loswerden. Du mußt sie loswerden, wenn ein rechter Kerl aus dir werden soll. Begreifst du?«
    »Gewiß, du hast ganz recht ... aber es geht nicht. Du weißt ja nicht ...«
    »Du hast gesehen, daß ich manches weiß, mehr als du gedacht hättest. – Bist du ihm etwa Geld schuldig?«
    »Ja, das auch, aber das ist nicht die Hauptsache. Ich kann es nicht sagen, ich kann nicht!«
    »Es hilft also nichts, wenn ich dir soviel Geld gebe, wie du ihm schuldig bist? – Ich könnte es dir gut geben.«
    »Nein, nein, das ist es nicht. Und ich bitte dich: sage niemand davon! Kein Wort! Du machst mich unglücklich!«
    »Verlaß dich auf mich, Sinclair. Eure Geheimnisse wirst du mir später einmal mitteilen –«
    »Nie, nie!« rief ich heftig.
    »Ganz wie du willst. Ich meine nur, vielleicht wirst du mir später einmal mehr sagen. Nur freiwillig, versteht sich! Du denkst doch nicht, ich werde es machen wie der Kromer selber?«
    »O nein – aber du weißt ja gar nichts davon!«
    »Gar nichts. Ich denke nur darüber nach. Und ich werde es nie so machen, wie Kromer es macht, das glaubst du mir. Du bist ja mir auch nichts schuldig.«
    Wir schwiegen eine lange Zeit, und ich wurde ruhiger. Aber Demians Wissen wurde mir immer rätselhafter.
    »Ich geh jetzt nach Hause«, sagte er und zog im Regen seinen Lodenmantel fester zusammen. »Ich möchte dir nur eins nochmals sagen, weil wir schon so weit sind – du solltest diesen Kerl loswerden! Wenn es gar nicht anders geht, dann schlage ihn tot! Es würde mir imponieren und gefallen, wenn du es tätest. Ich würde dir auch helfen.«
    Ich bekam von neuem Angst. Die Geschichte von Kain fiel mir plötzlich wieder ein. Es wurde mir unheimlich, und ich begann sachte zu weinen. Zu viel Unheimliches war um mich her.
    »Nun gut«, lächelte Max Demian. »Geh nur nach Hause! Wir machen das schon. Obwohl Totschlagen das einfachste wäre. In solchen Dingen ist das Einfachste immer das Beste. Du bist in keinen guten Händen bei deinem Freund Kromer.«
    Ich kam nach Hause, und mir schien, ich sei ein Jahr lang weg gewesen. Alles sah anders aus. Zwischen mir und Kromer stand etwas wie Zukunft, etwas wie Hoffnung. Ich war nicht mehr allein! Und erst jetzt sah ich, wie schrecklich allein ich wochenund wochenlang mit meinem Geheimnis gewesen war. Und sofort fiel mir ein, was ich mehrmals durchgedacht hatte: daß eine Beichte vor meinen Eltern mich erleichtern und mich doch nicht ganz erlösen würde. Nun hatte ich beinahe gebeichtet, einem andern, einem Fremden, und Erlösungsahnung flog mir wie ein starker Duft entgegen!
    Immerhin war meine Angst noch lange nicht überwunden, und ich war noch auf lange und furchtbare Auseinandersetzungen mit meinem Feinde gefaßt. Desto merkwürdiger war es mir, daß alles so still, so völlig geheim und ruhig verlief.
    Kromers Pfiff vor unserem Hause blieb aus, einen Tag, zwei Tage, drei Tage,

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