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Demian

Demian

Titel: Demian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Uniform mit dem silbergrauen Mantel, fuhr davon. Ich brachte seine Mutter nach Hause zurück. Bald nahm auch ich Abschied von ihr, sie küßte mich auf den Mund und hielt mich einen Augenblick an ihrer Brust, und ihre großen Augen brannten nah und fest in meine.
    Und alle Menschen waren wie verbrüdert. Sie meinten das Vaterland und die Ehre. Aber es war das Schicksal, dem sie alle einen Augenblick in das unverhüllte Gesicht schauten. Junge Männer kamen aus Kasernen, stiegen in Bahnzüge, und auf vielen Gesichtern sah ich ein Zeichen – nicht das unsre – ein schönes und würdevolles Zeichen, das Liebe und Tod bedeutete. Auch ich wurde von Menschen umarmt, die ich nie gesehen hatte, und ich verstand es und erwiderte es gerne. Es war ein Rausch, in dem sie es taten, kein Schicksalswille, aber der Rausch war heilig, er rührte daher, daß sie alle diesen kurzen, aufrüttelnden Blick in die Augen des Schicksals getan hatten.
    Es war schon beinahe Winter, als ich ins Feld kam.
    Im Anfang war ich, trotz der Sensationen der Schießerei, von allem enttäuscht. Früher hatte ich viel darüber nachgedacht, warum so äußerst selten ein Mensch für ein Ideal zu leben vermöge. Jetzt sah ich, daß viele, ja alle Menschen fähig sind, für ein Ideal zu sterben. Nur durfte es kein persönliches, kein freies, kein gewähltes Ideal sein, es mußte ein gemeinsames und übernommenes sein.
    Mit der Zeit sah ich aber, daß ich die Menschen unterschätzt hatte. So sehr der Dienst und die gemeinsame Gefahr sie uniformierte, ich sah doch viele, Lebende und Sterbende, sich dem Schicksalswillen prachtvoll nähern. Viele, sehr viele hatten nicht nur beim Angriff, sondern zu jeder Zeit den festen, fernen, ein wenig wie besessenen Blick, der nichts von Zielen weiß und volles Hingegebensein an das Ungeheure bedeutet. Mochten diese glauben und meinen, was immer sie wollten –sie waren bereit, sie waren brauchbar, aus ihnen würde sich Zukunft formen lassen. Und je starrer die Welt auf Krieg und Heldentum, auf Ehre und andre alte Ideale eingestellt schien, je ferner und unwahrscheinlicher jede Stimme scheinbarer Menschlichkeit klang, dies war alles nur die Oberfläche, ebenso wie die Frage nach den äußeren und politischen Zielen des Krieges nur Oberfläche blieb. In der Tiefe war etwas im Werden. Etwas wie eine neue Menschlichkeit. Denn viele konnte ich sehen, und mancher von ihnen starb an meiner Seite – denen war gefühlhaft die Einsicht geworden, daß Haß und Wut, Totschlagen und Vernichten nicht an die Objekte geknüpft waren. Nein, die Objekte, ebenso wie die Ziele, waren ganz zufällig. Die Urgefühle, auch die wildesten, galten nicht dem Feinde, ihr blutiges Werk war nur Ausstrahlung des Innern, der in sich zerspaltenen Seele, welche rasen und töten, vernichten und sterben wollte, um neu geboren werden zu können. Es kämpfte sich ein Riesenvogel aus dem Ei, und das Ei war die Welt, und die Welt mußte in Trümmer gehen.
    Vor dem Gehöft, das wir besetzt hatten, stand ich in einer Vorfrühlingsnacht auf Wache. In launischen Stößen ging ein schlapper Wind, über den hohen, flandrischen Himmel ritten Wolkenheere, irgendwo dahinter eine Ahnung von Mond. Schon den ganzen Tag war ich in Unruhe gewesen, irgendeine Sorge störte mich. Jetzt, auf meinem dunklen Posten, dachte ich mit Innigkeit an die Bilder meines bisherigen Lebens, an Frau Eva, an Demian. Ich stand an eine Pappel gelehnt und starrte in den bewegten Himmel, dessen heimlich zuckende Helligkeiten bald zu großen, quellenden Bilderfolgen wurden. Ich spürte an der seltsamen Dünne meines Pulses, an der Unempfindlichkeit meiner Haut gegen Wind und Regen, an der funkelnden inneren Wachheit, daß ein Führer um mich sei.
    In den Wolken war eine große Stadt zu sehen, aus der strömten Millionen von Menschen hervor, die verbreiteten sich in Schwärmen über weite Landschaften. Mitten unter sie trat eine mächtige Göttergestalt, funkelnde Sterne im Haar, groß wie ein Gebirge, mit den Zügen der Frau Eva. In sie hinein verschwanden die Züge der Menschen, wie in eine riesige Höhle, und waren weg. Die Göttin kauerte sich am Boden nieder, hell schimmerte das Mal auf ihrer Stirn. Ein Traum schien Gewalt über siezu haben, sie schloß die Augen, und ihr großes Antlitz verzog sich in Weh. Plötzlich schrie sie hell auf, und aus ihrer Stirn sprangen Sterne, viele tausend leuchtende Sterne, die schwangen sich in herrlichen Bogen und Halbkreisen über den schwarzen

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