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Den ersten Stein

Den ersten Stein

Titel: Den ersten Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elliott Hall
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hatte,
     entgegen und trank die Hälfte in einem einzigen Zug. Er hustete, schluckte heftig und begann zu sprechen.
    »Der Streit zwischen Thorpe und Bruder Isaiah war schlimmer geworden. Wenn sich keine Lösung finden würde, wäre das ganze
     Heilige-Land-Projekt in Gefahr. Ich bot meine Dienste als Vermittler an.«
    »Oh ja, da wette ich drauf«, sagte ich.
    »Warum hätte Bruder Isaiah Ihnen trauen sollen?«, fragte Iris.
    »Wir mochten einander vielleicht nicht, aber er vertraute mir in meiner Position als einer der wichtigsten Ordnungshüter des
     Landes.« White versuchte, sich hoch aufzurichten, damit er so aussah, als wäre er dieser übertriebenen Schilderung würdig,
     doch es misslang, und er machte Iris damit nur noch wütender. »Möglicherweise habe ich angedeutet, im Auftrag der anderen
     Ältesten zu sprechen.«
    »Sie haben ihn in eine Falle gelockt«, sagte Iris. Es war eine Feststellung wie eine Zeile in einem Steuerbescheid, ganz ohne
     Emotionen.
    »Das ist doch verrückt«, widersprach White, wobei er klug genug war, es wie eine Bitte und nicht wie eine Anklage klingen
     zu lassen. »Ich dachte, Thorpe würde dem Jungen erklären, was er sagen muss, um den alten Mann zufriedenzustellen, und alles
     ließe sich wieder einrenken. Ich schwöre bei meiner Seele, dass ich nicht wusste, was er im Sinn hatte.« White streckte flehend
     die Hände aus.
    Iris trat zurück und packte die Waffe fester. »Sie sind genauso schuldig wie der Rest. Sie haben versucht, für Junior eine
     Ausnahme zu machen. Sie haben gewusst, wer Bruder Isaiah getötet hat, und haben nichts unternommen.«
    »Ich habe versucht, unser Projekt in Nahost zu retten.« Der Gin hatte in Whites Magenhöhle ein kleines Feuerchen entfacht.
     Er glaubte nicht, dass er noch etwas zu verlieren hatte. »Bruder Isaiah war dabei, alles kaputt zu machen, weil er sich geweigert
     hat, das Gesamtbild zu sehen. Was ist schon die Seele eines einzigen jungen Verwahrlosten im Vergleich zur Wiederkehr des
     Reichs Gottes auf Erden?«
    »So viel Zeit haben Sie mit dem Studium der Bibel verbracht, und doch verstehen Sie kein einziges Wort, das unserHerr gesagt hat. Was wir dem Geringsten unter uns tun, das tun wir Ihm. Wenn Männer wie Sie über das ›Gesamtbild‹ oder die
     ›Welt, wie sie ist‹ reden, suchen sie nur nach einer Entschuldigung, um Sünden nicht so ernst zu nehmen. Junior hat im Kampf
     um seine Seele laut um Hilfe gerufen, Sie aber haben ihm billige Nachsicht geboten statt wahrer Vergebung. Bruder Isaiah ist
     nach Afrika gegangen, um Menschen wie Ihnen zu entgehen.« Iris spannte den Hahn der Pistole.
    Tränen bildeten sich in Whites Augenwinkeln. Ich erinnerte mich an die vielen Gelegenheiten, bei denen White im Fernsehen
     aufgetreten war und Auge um Auge von jedem verlangt hatte, der gerade Amerikas Feind des Tages war. Jetzt sah es so aus, als
     würde er die Gerechtigkeit des Alten Testaments aus erster Hand erfahren.
    »Er ist es nicht wert, Iris«, sagte ich.
    »Die Ältesten werden niemals zulassen, dass man ihm den Prozess macht. Sie werden ihn zwingen, in den Ruhestand zu treten,
     und ihn an einer Universität verstecken.«
    »Dann gehen wir zur ausländischen Presse.« Ich drückte die Play-Taste an Lims Aufnahmegerät. White reagierte auf seine eigene
     Stimme mit unerschütterlicher Gleichgültigkeit; er war schon so gebrochen und verängstigt, wie er es überhaupt nur sein konnte.
    »Das wird nicht reichen«, sagte Iris.
    »Du hast noch nie einen Menschen kaltblütig getötet«, erklärte ich. »Du hast die Narben nicht gesehen, die das hinterlässt.«
    Sie versuchte, mich anzulächeln, schaffte es aber nicht, all die winzigen Muskeln in ihrem Gesicht in die richtige Stellung
     zu bekommen. Was herauskam, war gebrochen, ein schmerzlicher Anblick. »Tut mir leid, Felix. Mein Blatt wendet sich nicht.«
     Sie schoss White zweimal in die Brust.
    Er starrte sie verblüfft an. White versuchte, den Mund zuöffnen, um etwas zu sagen, aber alles, was herauskam, war Blut. Wir sahen zu, wie er starb.
    »Es ist vorbei, Iris«, sagte ich. »Leg die Waffe weg.«
    Stattdessen richtete sie sie auf mich. Meine Pistole lag noch immer neben Thorpes Leiche auf dem Boden. »Wirst du mich der
     Polizei übergeben, Felix?«
    »Wirst du mich erschießen?«
    Wir kannten beide die Antworten auf unsere Fragen. Iris warf die Waffe weg.
    »Was tun wir jetzt?«, fragte sie.
    »Du haust ab«, antwortete ich. »Du hast gerade zwei Kugeln in einen

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