Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder
verlieren, wenngleich auf andere Weise. Weiß sie es vielleicht? Hat sie eine Ahnung, was Lisa wirklich unten am Fluss getan hat?
Lisa sprach erneut. Sie erklärte, dass Simic beim Anblick der Schlange in Panik geraten war. Er wäre zurückgewichen, gestolpert und in den Fluss gefallen.
»Und als Simic in den Fluss fiel, was haben Sie als Nächstes getan?«, erkundigte sich der Coroner in freundlichem Ton.
»Ich bin ebenfalls in Panik geraten«, sagte sie mit stockender Stimme. »Ich dachte, es wäre nicht so schlimm. Ich meine, ich war sicher, dass er schwimmen kann. Außerdem war der Fluss nicht so tief. Aber ich dachte mir, dass er wütend sein würde, und ich hatte die Schlange fallen lassen. Sie war verschwunden, und ich hatte nichts mehr, womit ich ihn daran hindern konnte, mich anzugreifen.«
»Und deswegen sind Sie weggelaufen?«, fragte der Coroner.
Sie zögerte. »Er war nah beim Ufer, und ich dachte, er würde aus dem Wasser klettern.« Ihre Stimme drohte zu brechen. Sie unterdrückte ein Schluchzen. »Ich wusste nicht, dass er ertrinken würde! Ich hätte ihn bestimmt nicht ertrinken lassen, wenn ich das gewusst hätte!« Tränen rannen ihr über die Wangen, und ein Gerichtsdiener bot ihr ein neues Glas Wasser an, doch sie winkte ab. Plötzlich fing sie unkontrolliert an zu weinen. Ich war mehr als verblüfft. Ich war schockiert. Ich hatte angenommen, dass ihr Elend nur gespielt war, doch das war viel zu echt. Ich sah, wie Jennifer Stallard sich erheben wollte, doch Mickey Allerton legte ihr die Hand auf den Arm, und sie setzte sich wieder. Sie war ein Bild des Elends.
Hat meine Mutter, nachdem sie uns verlassen hat, auch nur eine einzige Nacht so geweint, fragte ich mich, und an mich gedacht? Hat sie mich so geliebt? Ich würde die Antwort niemals erfahren. Jahrelang war Jennifer eine Gefangene in ihrem eigenen Haus in Summertown gewesen, wo sie mit ihrem kranken Ehemann gelebt hatte. Kein Gedanke an ihre eigene Freiheit oder Selbstverwirklichung, sondern nichts als der Trost, dass wenigstens Lisa, die geliebte Tochter, alle Möglichkeiten besaß und das Beste daraus machte. Und so hatte alles geendet, vor einem Richter, in einem kühlen, dunklen Gerichtssaal, der in bemerkenswertem Kontrast zu der trotz der frühen Morgenstunde bereits wieder aufwallenden Hitze draußen stand. Hier saß sie nun und musste lauschen, wie sich all ihre Träume zerschlagen hatten.
Ich blickte zu Detective Sergeant Pereira auf der anderen Seite des Saals, doch ihre Miene war ausdruckslos.
Lisa wurde zu ihrem Platz neben Jennifer Stallard zurückgeführt, und ihre Mutter nahm sie in den Arm.
Anschließend wurde Mr Michael »Mickey« Allerton aufgerufen und als Geschäftsmann und Nachtclubbesitzer vorgestellt. Mickey sagte, dass er größten Wert auf die Feststellung legte, Ivo Simic nicht nach Oxford geschickt zu haben. Er hätte den Mann zwar in seinem Club beschäftigt, doch er hätte ihn zu keiner Zeit damit beauftragt, Miss Stallard zu folgen. Er hätte im Gegenteil kurz davor gestanden, Mr Simic zu entlassen wegen seines mangelhaften Verhaltens während der Zeit, die er im Club gearbeitet hatte. Er, Allerton, hätte Francesca Varady, eine Privatdetektivin, gebeten, nach Oxford zu fahren und in seinem Namen mit Miss Stallard zu reden. Miss Varady hätte diesen Auftrag ausgeführt, mit dem Ergebnis, dass die strittigen Angelegenheiten zwischen ihm und Miss Stallard zur Zufriedenheit beider Parteien gelöst werden konnten.
Ich muss schon sagen, Allerton blickte ziemlich selbstzufrieden drein, als er dies sagte.
»Ah, ja«, sagte der Coroner und blätterte in seinen Unterlagen. »Wir haben von Miss Varady gehört, der, äh, Privatdetektivin, bei der vorangegangenen Sitzung.« Privatdetektive waren seiner Meinung nach wohl Schlangen gleichzusetzen.
Anschließend wurde die Aussage eines Pathologen verlesen, aus der hervorging, dass der Tod von Ivo Simic durch Ertrinken eingetreten war.
Welches Ergebnis hatten die weiteren forensischen Untersuchungen ergeben?, wurde Pereira gefragt, die als Nächstes in den Zeugenstand gerufen wurde.
»Keine schlüssigen Befunde«, lautete ihre knappe Antwort.
»Also haben Sie nichts mehr hinzuzufügen, Sergeant Pereira?«
»Nein, Euer Ehren.«
Der Coroner fasste zusammen und verströmte dabei die Aura eines Schuldirektors, der sich die größte Mühe gab, gerecht zu sein. Diese ganze traurige Angelegenheit war durch eine Streitigkeit auf der Arbeit zwischen Lisa Stallard und
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