Depeche Mode

über Octopusse gequatscht, was ist bloß los mit mir in letzter Zeit? – fragt er den Typen, – kaum nehme ich Vitamine, da fang ich auch schon an, von Octopussen zu erzählen. Kann nichts dafür, – rechtfertigt er sich, – diese zauberhaften Wesen machen mich ganz high. Ach, wie geil, – sagt er ganz glücklich und verschwindet in der Maske.
     
    11.00
    Solange all diese Orthodoxen des Siebenten Tages noch da sind und Hochwürden gestikulierend die Bühne verläßt, sitzt Kakao auf der Bank und versucht zu kapieren, worum es ging, aber der Sinn der Rede von Hochwürden erschließt sich ihm nicht wirklich – irgendwas mit Elektrizität, Anstalt und Octopussen, Kakao langweilt sich, hätte besser daheim ferngesehen, – denkt er, – aber da, als Nachschlag zu den Offenbarungen Hochwürdens, setzt, gemäß der für die Aufklärungsarbeit unter Eingeborenen entwickelten Dramaturgie »Hochwürden Johnson-und-Johnson’s Göttliches Orchester« ein, Kakaos Freunde, Kanonenfutter auf der entscheidenden Etappe im ungleichen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Hochwürden Johnson-und-Johnson und seinem Marasmus. Sie spielen Blues, klassische Stücke, die ihr Chef höchstpersönlich ausgewählt hat, die Invaliden im Saal beginnen sich im Takt zu drehen, die biznesmeny öffnen ihre salatgrünen Sakkos, das Publikum lebt auf, Hochwürden in der Maske wischt sich gutgelaunt den Schweiß von der Stirn, seine Rolex glitzert, die Band kommt in Fahrt, sie spielen ein bekanntes Thema, machen sich aber langsam frei davon, kriegen die Kurve und stimmen etwas an, was sie am Konservatorium sicher nicht gelernt haben – den »Atomic Bomb Blues«, komponiert in den fernen Nachkriegsjahren von einem gewissen Homer Harris, den hier keiner kennt, nicht einmal Hochwürden Johnson-und-Johnson, seine göttliche Offenbarung verschlägt es nicht in solche Grenzgebiete, woher soll er, ein beschissener Octopus, etwas über Homer Harris wissen. Kakao aber gefällt es viel besser als Hochwürdens Predigt, das hier versteht er, beginnt, hinter der Bühne zu tanzen und hört plötzlich, wie sich jemand mit einer Quereinlage von der Band löst, Kakao erkennt sofort die Gitarre von Little Chuck Berry, der seine Offenbarung gekriegt hat und nun zu sprechen scheint, indem er sich an die Flut der Invaliden wendet –
     
    Herr, wenn du mich hören kannst durch die Schreie dieses Viehs Johnson-und-Johnson, wenn du überhaupt noch Böcke hast auf das alles, gib mir eine Chance, nur ein paar Sätze, ich erklär dir alles, Hauptsache du beachtest mich, ich spiele doch im göttlichen Orchester, auch wenn ich in deinen Augen eine Null bin und du dich für mich schämst, für alles, was ich, also, mache, aber wende dich bitte nicht ab von mir, wenigstens ein paar Sekunden lang nicht, mir geht’s beschissen, o Gott, so beschissen, das kann sich keiner vorstellen, außerdem spiele ich beschissen, aber trotzdem – schick mir wenigstens ein bißchen Hoffnung, verstehst du, vertreibe diese Wehmut aus meiner Lunge, aus meinem Herzen und aus meinem Magen, die ganze Scheiße sozusagen, hörst du, ich erbitte einzig und allein Hoffnung, ich bin erst neunzehn, vielleicht bin ich zu ungeduldig, aber mir geht es doch nur um einen Streifen Licht, so einen ganz kleinen, wie wenn man nachts den Kühlschrank aufmacht, du weißt, was ich meine, damit ich alles wieder ausatmen kann, was ich in diesen neunzehn Jahren eingeatmet habe, zumindest ein kleines bißchen Trost, Herr, eine minimale Portion, mach dir bloß keine Umstände, einfach mal bei Gelegenheit, hör doch, nur ein bißchen, nicht viel, nur ein bißchen, ein Rest von Hoffnung, hörst du mich, Herr, okay? Okay? Ja, und ein paar Reeboks, o Herr, Reeboks, ein Paar Reeboks, hörst du?! Hörst du mich?!! Du, hey du, hörst du überhaupt, hörst du überhaupt zu, was ich hier sage?!!! Hallo??!!!!! Haalloo?!!! Haaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
     
    Die Band stimmt in dieses merkwürdige Thema ein, alle schnallen plötzlich, was für ein cooler Typ dieser Little Chuck Berry ist, wie super das alles paßt, keiner will es vermasseln. Schon lange hat Kakao nichts mehr so high gemacht, er plumpste einfach auf die Bank, saß vollkommen fertig da und hörte zu, hörte, wie sie spielten und spielten, und selbst als die Invaliden auseinander krochen und die biznesmeny sich zu ihren Schlitten schleppten und die Putzfrauen sich