Depeche Mode
Bahnsteig, gleich werden aus der anderen Richtung seine Kumpels kommen, er braucht also nur auf sie zu warten. Dog ist müde und fertig, säuft schon den dritten Tag, dazu das schlechte Wetter, es kommt bestimmt vom Wetter, Blutdruck oder wie das heißt, wie heißt der Zustand, wenn du drei Tage trinkst und plötzlich deine Verwandten und Freunde nicht mehr erkennst? Klar, Blutdruck.
Er weiß nicht einmal mehr, was passiert ist. Der Sommer hat so gut begonnen, es regnete, erfolgreich und sorglos verschlunzte Dog seine Jugend, bis ihn, den dauerhaft arbeitslosen Dog, irgendwelche Werbefreunde in die Abgründe der Werbeindustrie zogen, besser gesagt ihn als Kurier in der Werbeabteilung ihrer Zeitung anstellten. Dog hatte keine Böcke auf so was, überwand sich aber und ging arbeiten. Nutzen brachte er wenig, aber gut, daß man ihn wenigstens irgendwo als Menschen ansah, er selbst glaubte eigentlich nie wirklich daran, aber dafür sind Freunde schließlich da, daß sie mit brachialer Gewalt deinen sozialen Status verbessern, ich hab gleich gesagt, er macht’s nicht lange, aber sie haben nicht auf mich gehört, null Problemo, er ist in Ordnung, ein bißchen abgefuckt, aber in Ordnung, in Ordnung, gab ich zu, in Ordnung.
Nach zehn Tagen hat Dog die Schnauze voll, fängt an zu trinken, geht nicht mehr zur Arbeit, und damit sie ihn nicht finden, trinkt er bei Freunden, mit seinen neunzehn Jahren kennt Dog die halbe Stadt, eine Nacht verbringt er sogar auf dem Bahnhof – trifft dort befreundete Pilzsammler, die mit dem Frühzug irgendwo Richtung Donbass fahren, Stoff holen, und er übernachtet mit ihnen unter den Säulen auf der Straße, wird dreimal von einer Streife gefilzt, bleibt pflichtschuldig bis zum Morgen bei ihnen sitzen und lauscht den Stories über Pilze und anderes hartes Zeug, dann hat er es satt und robbt heim. Hier erreicht ihn der Anruf. In anderem Zustand hätte Dog nie im Leben abgehoben, aber in ihm schwimmen schon die silbrigen kalten Forellen dreitägigen Alkoholkonsums und peitschen mit ihren Schwänzen schmerzhaft auf Nieren und Leber, so daß sich Dogs Welt verdunkelt und er automatisch abhebt. »Dog? – schreit es aus dem Telefon. – Leg bloß nicht auf.« Seine Werbefreunde Wowa und Wolodja, die ihm unseligerweise die Stelle vermittelt haben, sitzen irgendwo in ihrem Komsomolzenbüro und reißen sich gegenseitig den Hörer aus der Hand, wollen Dog dazu bringen, daß er mit ihnen redet, gleiten dabei gelegentlich ins Fluchen ab. »Dog! – sagen sie. – Vor allem – leg bloß nicht auf. Schwule Socke! – sagen sie, nachdem sie sich davon überzeugt haben, daß Dog sie hören kann. – Wenn du jetzt auflegst, hast du Verschissen. Dann machen wir dich alle, klar?« – »Hallo«, – sagt Dog. »Was hallo? – regen sich Wowa und Wolodja auf. – Was hallo? Hörst du uns?« – »Ja«, sagt der verängstigte Dog. »Gut, – Wowa und Wolodja beruhigen sich ein bißchen. – Hör zu – es ist jetzt zehn Uhr morgens.« »Was?« – Dog kriegt Panik und legt auf. Das Telefon rappelt gleich wieder. Dog nimmt zögernd ab. »Du!!! – brüllt es aus dem Hörer. – Schwule Socke!!! Leg bloß nicht auf!!! Hörst du uns??? Leg bloß nicht auf!!!« Dog schluckt schwer. »Hörst du uns?« »Okay«, sagt Dog unsicher. »Also gut – bricht es aus den Werbeleuten heraus. – Es ist jetzt zehn Uhr morgens. Leg bloß nicht auf!!! Hörst du??? Leg bloß nicht auf!!! Es ist jetzt zehn. Um halb sechs warten wir beim Stadion auf dich. Wenn du nicht kommst, reißen wir dir die Eier ab. Wenn du kommst, reißen wir dir auch die Eier ab. Aber besser du kommst. Kapiert???« »Ja«, – sagt Dog. »Hast du kapiert?!!« – die Werbeleute geben keine Ruhe. »Kapiert«, sagt Dog Pawlow und spürt, wie die Forellen irgendwo unter seiner Gurgel herumtollen. »Was ist mit dir? – fragen sie endlich. – Ist dir schlecht?« – »Ja.« »Brauchst du irgendwas?« – »Wodka.« »Schwule Socke«, – sagen Wowa und Wolodja und legen auf.
Dog atmet tief durch. Zehn Uhr. Er muß sich entweder umziehen oder den Kater mit Alkohol bekämpfen, besser natürlich den Kater bekämpfen. Seine Oma kommt aus dem Nebenzimmer. Seine Oma, er liebt sie natürlich und so, läuft mit ihrem Veteranenausweis durch die Gegend, man kann sogar sagen, daß er stolz auf sie ist, natürlich nicht komplett, aber bis zu einem gewissen Grad, erzählt, daß sie im Panzer gebrannt hat, ich kann mir die Alte schwer im Panzerhelm vorstellen, aber nichts
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