Bittersweet Moon 2
Kapitel eins
Allmählich
wird es dunkler. Ein luftiger, mild warmer Schleier der Sommernacht hat sich
schon über Berlin gelegt. Die Atmosphäre um mich ist aufregend. Ich spüre, wie
die Stadt in ihrem lebensfrohen Rhythmus vor dem Wochenende noch stärker
pulsiert und alle mitreißt, die um diese Zeit unterwegs sind. Nur mich nicht,
ich befinde mich in meinem eigenen Film und ich nehme die Umgebung und das
Geschehen auf den Straßen nur vage wahr. Ich sehe immer noch die Ergriffenheit
in Robins Augen, als ich mich vor wenigen Minuten von ihm losgerissen und wie
benommen die Galerie verlassen habe. Ich fühle seinen Kuss auf meinen Lippen,
so bittersüß und brennend …
Die
ganze Zeit laufe ich barfuß und der direkte Kontakt mit warmen Steinplatten
empfinde ich als wohltuend. Drei junge Mädchen kommen mir entgegen und lächeln
mich an. „Tolles Kleid!“, höre ich wie aus weiter Ferne und ich lächle nur
automatisch zurück, als ich erkenne, dass sie damit mein rotes Kleid meinen.
Zu
sehr bin ich in die Erinnerungen an meine kurze Zeit mit Robin vertieft. Mit
dem berühmten Rockstar, der mich vor zehn Jahren aus meinem Mauerblümchendasein
befreit und mich zu seiner heimlichen Geliebten gemacht hat. Ich war jung,
unerfahren und unsterblich verliebt. Es war der Zauber der Musik, die uns
zusammengebracht hat. Wieso hätte sonst ein so attraktiver und charismatischer
Mann wegen mir seine Ehe auf Spiel gesetzt? Wegen einer unbedeutenden
Musikstudentin, die in einer kleinen Hotelbar abends die Gäste am Klavier
unterhalten hat?
Die
erotische Anziehungskraft, die wir füreinander spürten, war gewaltig und
einmalig. Vielleicht auch deswegen, weil wir von Anfang an wussten, es gibt
keine Zukunft für uns. Alles, was wir hatten, war diese verbotene, heimliche
und kurze Affäre und wir haben jeden einzigen Augenblick völlig ausgekostet.
Robin hat mir das gegeben, was ich am meisten gebraucht habe - das Gefühl, dass
ich eine schöne, talentierte, interessante und vor allem begehrenswerte junge
Frau bin. Dass ich für ihn etwas Besonderes bin. Das wünschen wir Frauen uns
doch letztendlich von unseren Liebhabern, oder? Welche Frau will nicht
einzigartig, begehrenswert und unwiderstehlich für den Mann sein, den sie
selbst bis an ihre Schmerzensgrenze liebt? Gerade weil Robin mir das gegeben
hat, ist er auch nach dem traurigen Ende unserer Beziehung für mich nie nur zu
einer Erinnerung geworden. Gewiss hat seine aufregende Aura als Rockstar dabei
eine große Rolle gespielt. Ich habe mich oft gefragt, ob er für mich auch so
einmalig und unvergesslich wäre, wäre er ein ganz normaler Mann von nebenan und
nicht der Frontmann der Band Forbidden Games ...
Noch
ganz in Gedanken versunken verlasse ich die Hauptstraße und biege in die
ruhigere Seitenstraße, die mich zu der nächsten Straßenbahnhaltestelle führt,
ab. Meine Tränen sind mittlerweile getrocknet. Der hässliche Schmerz, der mich
erbarmungslos daran erinnert hat, wie sehr ich Robin geliebt habe, wie sehr ich
unter seinem Verlust gelitten habe, lässt endlich nach. Auch die emotionale
Wucht, die mich beim Wiedersehen mit Robin so intensiv überrollt hat, beruhigt
sich und ich lächle still vor mich hin. Der rasche Spaziergang hat mir gut
getan. Das aufsteigende Gefühl in meiner Brust, das nicht eindeutiger sein
könnte, nimmt allmählich überhand und bestätigt mich immer mehr in meiner
Entscheidung. Ja, ich bin bereit! Bereit, mit der Vergangenheit abzuschließen
und das letzte Kapitel meiner Geschichte zu beenden. Nicht nur das. Ich bin
bereit, anzunehmen was die Gegenwart mir anzubieten hat. Es gibt keinen guten
Grund, um dagegen anzukämpfen. Die Vernunft, die Vorsicht und alle möglichen
Bedenken haben meinen Befürchtungen entgegen einfach keine Argumente, um mich
umzustimmen. Ich fühle mich nur noch frei. Was hat Robin vor dem Abschied in
der Galerie zu mir gesagt? Er möchte, dass ich ihn morgen nach Italien begleite
- ohne Hintergedanken, ohne Verpflichtungen, ohne Erwartungen. Und genau das
habe ich vor! Ich werde zusammen mit ihm verreisen und eine Woche in der
Toskana mit ihm verbringen! Bei dem Gedanken springt mein Herz höher vor
Aufregung und vor meinem eigenen Mut. Ich bücke mich, um mir wieder die Sandaletten
anzuziehen und schaue dabei auf meine Uhr. Ich habe gerade noch ausreichend
Zeit, um zu Hause einen Koffer zu packen, deswegen laufe ich zur Haltestelle in
der Kastanienallee, so schnell wie es meine hohen
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