Der 1. Mord - Roman
David Brandt vorstellen«, sagte Jacobi mit schiefem Lächeln. »Mrs. David Brandt ist da drinnen.« Er deutete auf die Tür zum Schlafzimmer. »Ich schätze, diese Ehe war von kürzerer Dauer als bei den meisten anderen Paaren.«
Ich kniete mich hin und sah mir den toten Bräutigam lange und genau an. Mit dem kurzen, krausen dunklen Haar und dem weichen Kinn sah er wirklich gut aus, doch die großen starren Augen und das Blutgerinnsel am Kinn verunstalteten seine Gesichtszüge. Hinter ihm lag seine Smokingjacke auf dem Boden.
»Wer hat sie gefunden?«, wollte ich wissen und sah in der Tasche nach, ob er eine Brieftasche bei sich hatte.
»Der stellvertretende Manager. Sie sollten heute Morgen nach Bali fliegen. Auf die Insel, nicht zu dem Casino, Boxer. Ein Paar wie diese beiden werden vom stellvertretenden Hotelmanager geweckt.«
Ich öffnete die Brieftasche: ein Führerschein aus New York mit dem lächelnden Gesicht des Bräutigams. Platin-Kreditkarten, mehrere Hundertdollarscheine.
Ich stand auf und sah mich in der Suite um. Sie glich einem Museum für Asiatische Kunst: Celadon-Drachen, Sessel und Couchen mit Szenen des Kaiserhofs. Und natürlich die Rosen. Ich war ja eher der gemütliche Pensions-Typ, aber wenn man Eindruck schinden wollte, war diese Suite genau das Richtige.
»Machen wir uns mit der Braut bekannt«, sagte Jacobi.
Ich folgte ihm durch Doppeltüren in das große Schlafzimmer und blieb wie angewurzelt stehen. Die Braut lag auf dem Rücken auf dem breiten Himmelbett.
Ich hatte schon hundert Mordschauplätze gesehen und konnte mein Radar ebenso rasch auf die Leiche einstellen wie jeder andere, doch auf das hier war ich nicht vorbereitet. Eine Woge des Mitgefühls durchströmte mich.
Die Braut trug noch immer ihr Hochzeitskleid.
6
Man kann gar nicht so viele Mordopfer sehen, als dass sie einen nicht mehr berühren; bei dieser Leiche jedoch fiel es mir besonders schwer, sie anzuschauen.
Sie war so jung und so schön: ruhig und ungestört, abgesehen von den drei karmesinroten Blutblumen, die sich auf ihrer weißen Brust entfaltet hatten. Sie sah aus wie eine schlafende Prinzessin, die auf ihren Prinzen wartete, nur lag ihr Prinz im anderen Zimmer und war tot.
»Was kann man für dreitausendfünfhundert Mäuse pro Nacht schon verlangen?« Jacobi zuckte mit den Schultern. »Das ganze Märchen?«
Ich musste mich mit aller Kraft zusammenreißen, um mich auf das zu konzentrieren, was getan werden musste. Als könne ich ihn mit einem einzigen wütenden Blick zum Schweigen bringen, funkelte ich Jacobi böse an.
»Herrgott, Boxer, was ist denn los? War doch bloß ein Scherz.« Er zog die Mundwinkel nach unten.
Was auch immer es gewesen war, seine kindlich-reuige Miene brachte mich in die Wirklichkeit zurück. An der rechten Hand trug die Braut einen großen Diamanten, außerdem kostbare Ohrringe. Was auch immer der Mörder für ein Motiv gehabt hatte, Raub war es jedenfalls nicht gewesen.
Ein Mitarbeiter der Gerichtsmedizin begann eine erste Untersuchung. »Sieht nach Stichwunden aus«, sagte er. »Sie muss ziemlich mutig gewesen sein. Den Bräutigam hat er mit einem einzigen Stich erledigt.«
Mir schoss durch den Kopf, dass es bei neunzig Prozent aller Morde um Geld oder Sex ging.
»Wann hat jemand sie zum letzten Mal gesehen?«, erkundigte ich mich.
»Gestern Abend, kurz nach zweiundzwanzig Uhr. Da ging unten der Massenempfang zu Ende.«
»Und danach niemand mehr?«
»Ich weiß, das hier ist nicht gerade Ihr Spezialgebiet, Boxer«, meinte Jacobi und grinste wieder. »Aber im Allgemeinen kriegen die Leute nach der Party das Brautpaar eine Weile nicht zu sehen.«
Ich lächelte gezwungen und betrachtete erneut die Suite. »Überraschen Sie mich, Jacobi. Wer bezahlt für ein solches Zimmer?«
»Der Vater des Bräutigams ist irgendein hohes Tier an der Wall Street. Er und seine Frau bewohnen Zimmer im elften Stock. Man hat mir gesagt, da unten wär’s auch purer Luxus. So wie hier. Schauen Sie sich nur mal die vielen verdammten Rosen an.«
Ich ging zurück zu dem Bräutigam und sah auf einer Marmorkonsole neben der Tür eine Schachtel mit einer Champagnerflasche. Sie war über und über mit Blut bespritzt.
»Ist dem stellvertretenden Manager auch schon aufgefallen«, bemerkte Jacobi. »Ich schätze, der Mörder hat das mitgebracht.«
»Hat man irgendjemanden gesehen?«
»Ja, jede Menge Leute im Smoking. Schließlich war es eine Hochzeit.«
Ich las das Etikett der Champagner-Flasche.
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