Der 1. Mord - Roman
drängten sich vor dem Eingang: Touristen mit Kameras, Geschäftsleute auf dem Weg zur Arbeit; einige wedelten mit Presseausweisen und versuchten sich damit Zugang zu verschaffen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte ein Übertragungswagen des Fernsehens und hatte die Kamera auf die Hotelfassade als Hintergrund gerichtet.
Nach zwei Jahren in der Lokalredaktion des Chronicle hatte Cindy ein Gespür für Storys, die ihrer Karriere auf die Sprünge helfen könnten. Bei dieser hier stellten sich ihr die Nackenhaare auf.
»Mord im Grand Hyatt«, hatte ihr der Lokalredakteur Sid Glass mitgeteilt, nachdem ein Mitarbeiter die Meldung im Polizeifunk mitgehört hatte. Suzie Fitzpatrick und Tom Stone, die eigentlichen Polizeireporter, waren mit einem anderen Auftrag
außer Haus. »Fahren Sie sofort hin!«, hatte ihr Chef zu ihrer Verblüffung gebrüllt. Das musste er nicht zweimal sagen.
Jetzt jedoch, hier draußen vor dem Hyatt, hatte Cindy das Gefühl, das ihre kurze Glückssträhne schon zu Ende war.
Die Straße war abgesperrt, und ständig trafen neue Reporter ein. Wenn sie sich nicht schnell etwas einfallen ließ, würden Fitzpatrick oder Stone die Story schreiben. Was sie brauchte, befand sich im Innern des Hotels. Und sie stand immer noch hier auf dem Bürgersteig.
Dann erblickte sie die Reihe der Limousinen und ging zur ersten hinüber - beige und endlos lang. Sie klopfte ans Fenster. Der Fahrer schaute von seiner Zeitung auf, selbstverständlich der Chronicle , und ließ das Fenster herunter, als er ihren Blick auffing.
»Warten Sie auf Steadman?«, fragte Cindy.
»Nee, auf Eddleson«, antwortete der Fahrer.
»Tut mir Leid.« Sie winkte und strahlte innerlich. Das war ihre Eintrittskarte .
Mit den Ellbogen bahnte sie sich einen Weg durch die Menge nach vorn. Ein junger Polizist hielt sie auf. »Entschuldigung, ich habe eine Besprechung im Hotel«, erklärte Cindy.
»Mit wem?«
»Eddleson. Er erwartet mich.«
Der Polizist schaute auf dem Computerausdruck nach, den er auf einem Klemmbrett hatte. »Haben Sie seine Zimmernummer?«
Cindy schüttelte den Kopf. »Er hat gesagt, ich soll ihn um elf im Grill Room treffen.« Der Grill Room im Hyatt war der Schauplatz einiger der wichtigsten Frühstücksbesprechungen in San Francisco.
Der Polizist musterte sie scharf von Kopf bis Fuß. In ihrer schwarzen Lederjacke, Jeans und den Sandalen von Earthsake sah sie wohl nicht gerade aus wie jemand, der zu einer hochkarätigen Geschäftsbesprechung verabredet war.
»Meine Besprechung«, wiederholte Cindy und tippte auf ihre Uhr. »Eddleson.«
Der Polizist winkte sie durch.
Sie war drin . Das hohe Glasatrium umgab sie, goldene Säulen reichten bis in die zweite Etage. Innerlich musste sie darüber kichern, dass alle diese hoch bezahlten Talente und bekannten Gesichter der Presse noch draußen auf der Straße standen.
Cindy Thomas war als Erste hineingekommen. Jetzt brauchte sie sich nur noch zu überlegen, was sie als Nächstes tun sollte.
Im Hotel herrschte ein Treiben wie in einem Bienenstock: Polizisten, Geschäftsleute, Reisegruppen, Hotelangestellte in karmesinroten Uniformen. Der Chef hatte gesagt, es handele sich um einen Mord. In Anbetracht des Rufs des Hotels eine gewagte Sache. Doch sie wusste nicht, auf welcher Etage oder wann der Mord stattgefunden hatte. Sie wusste nicht einmal, ob ein Gast beteiligt war.
Cindy war zwar drinnen, aber sie hatte keinen blassen Schimmer.
Dann erblickte sie eine Ansammlung von Gepäckstücken am anderen Ende der Halle. Sie schienen zu einer großen Reisegruppe zu gehören. Ein Page schleppte sie nach draußen. Sie schlenderte hinüber und kniete neben einem Koffer nieder, als wollte sie etwas herausholen.
Ein zweiter Page kam vorbei. »Brauchen Sie ein Taxi?« Cindy schüttelte den Kopf. »Nein, ich werde abgeholt.« Dann ließ sie den Blick über das Chaos ringsum schweifen und verdrehte die Augen. »Ich bin gerade erst aufgewacht. Habe ich etwas verpasst?«
»Was, Sie haben es noch nicht gehört? Da sind Sie bestimmt die Einzige. Vorige Nacht hatten wir ein Riesenfeuerwerk im Hotel.«
Cindy riss die Augen weit auf.
»Zwei Morde. Im Penthouse.« Er senkte die Stimme, als teile er ihr das wichtigste Geheimnis ihres Lebens mit. »Haben Sie
zufällig die Riesenhochzeit gestern Abend mitgekriegt? Braut und Bräutigam. Jemand ist in die Mandarin Suite eingebrochen und hat sie ermordet.«
»O mein Gott!« Cindy prallte zurück.
»Sind Sie sicher, dass ich
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