Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
nicht glauben konnte, daß mir Gott das verlorne Geld beschert hätte, also war ich jetzt so ungehalten, daß ich sagte, der Teufel hätte mirs wieder weggeführt! Ja ich stellte mich nicht anders, als ob ich ganz verzweifeln hätte wollen, daß also der gute Pfarrer genug an mir zu trösten hatte, weil mich der Schuh an zweien Orten so heftig drückte. »Mein Freund«, sagt' er, »stellt Euch doch als ein vernünftiger Mensch, wenn Ihr Euch ja nit in Eurem Kreuz anlassen könnet wie ein frommer Christ; was macht Ihr, wollt Ihr zu Eurem Geld auch das Leben, und was mehr ist, auch die Seligkeit verlieren?« Ich antwortet: »Nach dem Geld fragte ich nichts, wenn ich nur diese abscheuliche verfluchte Krankheit nit am Hals hätte oder wäre nur an Ort und Enden, da ich wieder kuriert werden könnte!« »Ihr müßt Euch gedulden«, antwort der Geistliche, »wie müssen die armen kleinen Kinder tun, deren in hiesigem Dorf über fünfzig daran krank liegen?« Wie ich hörte, daß auch Kinder damit behaftet, war ich alsbalden herzhafter, denn ich konnte ja leicht gedenken, daß selbige diese garstige Seuch nit kriegen würden; nahm derowegen mein Felleisen zur Hand und suchte, was es etwa noch vermochte, aber da war ohne das weiß Gezeug nichts Schätzbares innen als ein Kapsel mit einer Damen Conterfait, rund herum mit Rubinen besetzt, so mir eine zu Paris verehrt hatte; ich nahm das Conterfait heraus und stellte das übrige dem Geistlichen zu, mit Bitt, solches in der nächsten Stadt zu versilbern, damit ich etwas zu verzehren haben möchte: Dies ging dahin, daß ich kaum den dritten Teil seines Werts dafür kriegte, und weil es nit lang daurte, mußte auch mein Klepper fort, damit reichte ich kärglich hinaus, bis die Purpeln anfingen zu dörren und mir wieder besser wurde.
Das 7. Kapitel
Wie Simplicius Kalender macht, und als ihm das Wasser ans Maul ging schwimmen lernte
Womit einer sündiget, damit pflegt einer auch gestraft zu werden, diese Kindsblattern richteten mich dergestalt zu, daß ich hinfüro vor den Weibsbildern gute Ruhe hatte; ich kriegte Gruben im Gesicht, daß ich aussah wie ein Scheurtenne, darin man Erbsen gedroschen, ja ich wurde so häßlich, daß sich meine schönen krausen Haar, in welchem sich so manch Weibsbild verstrickt, meiner schämten, und ihre Heimat verließen; an deren Statt bekam ich andere, die sich den Sauborsten vergleichen ließen, daß ich also notwendig eine Perücke tragen mußte, und gleichwie auswendig an der Haut keine Zierd mehr übrigblieb, also ging meine liebliche Stimm auch dahin, dann ich den Hals voller Blattern gehabt, meine Augen, die man hiebevor niemal ohne Liebesfeur finden können, eine jede zu entzünden, sahen jetzt so rot und triefend aus wie eines achtzigjährigen Weibs, das den Cornelium hat. Und über das alles so war ich in fremden Landen, kannte weder Hund noch Menschen, ders treulich mit mir meinte, verstund die Sprach nicht und hatte allbereit kein Geld mehr übrig.
Da fing ich erst an hinter mich zu gedenken und die herrlichen Gelegenheiten zu bejammern, die mir hiebevor zu Beförderung meiner Wohlfahrt angestanden, ich aber so liederlich hatte verstreichen lassen; Ich sah erst zurück und merkte, daß mein extraordinari Glück im Krieg und mein gefundener Schatz nichts anders als eine Ursach und Vorbereitung zu meinem Unglück gewesen, welches mich nimmermehr so weit hinunter hätte werfen können, da es mich nit zuvor durch falsche Blick angeschaut und so hoch erhaben hätte, ja ich fand, daß dasjenige Gute, so mir begegnet und ich für gut gehalten, bös gewesen und mich in das äußerste Verderben geleitet hatte; da war kein Einsiedel mehr, ders treulich mit mir gemeint, kein Obrist Ramsay, der mich in meinem Elend aufgenommen, kein Pfarrer, der mir das Beste geraten, und in Summa kein einziger Mensch, der mir etwas zugut getan hätte; sondern da mein Geld hin war, hieß es, ich sollte auch fort und meine Gelegenheit anderswo suchen, und hätte ich wie der verlorne Sohn mit den Säuen vorlieb nehmen sollen. Damals gedacht ich erst an desjenigen Pfarrherrn guten Rat, der da vermeinte, ich sollte meine Mittel und Jugend zu den Studiis anwenden, aber es war viel zu spät mit der Scher, dem Vogel die Flügel zu beschneiden, weil er schon entflogen; O schnelle und unglückselige Veränderung! vor vier Wochen war ich ein Kerl, der die Fürsten zur Verwunderung bewegte, das Frauenzimmer entzückte und dem Volk als ein Meisterstück der Natur, ja wie
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