Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
Besserung zu hoffen, indem jeder vermeinet, wenn er nur zu acht Tagen, wenns wohl gerät, dem Gottesdienst beiwohne und sich etwa das Jahr einmal vermeintlich mit Gott versöhne, er habe es als ein frommer Christ nit allein alles wohl ausgerichtet, sondern Gott sei ihm noch dazu um solche laue Andacht viel schuldig; sollte ich nun wieder zu solchem Volk verlangen? müßte ich nit besorgen, wenn ich diese Insel, in welche mich der liebe Gott ganz wunderbarlicherweis versetzt, wiederum quittierte, es würde mir auf dem Meer wie dem Jonae ergehen? Nein!« sagte er, »vor solchem Beginnen wolle mich Gott behüten.«
Wie ich nun sah, daß er so gar keine Lust hatte, mit uns abzufahren, fing ich einen andern Diskurs an und fragte ihn, wie er sich denn so einzig und allein ernähren und behelfen könnte? Item ob er sich, indem er so viel hundert und tausend Meilen von andern lieben Christenmenschen abgesondert lebe, nicht fürchte; sonderlich ob er nicht bedenke, wenn sein Sterbstündlein herbeikommen wer ihm alsdann mit Trost, Gebet, geschweige der Handreichung, so ihm in seiner Krankheit vonnöten sein würde, zu Hilf und Statten kommen werde; ob er alsdann nit von aller Welt verlassen sein und wie ein wildes Tier oder Vieh dahinsterben müßte? Darauf antwortet' er mir, was seine Nahrung anlange, versorge ihn die Güte Gottes mit mehrerm als seiner tausend genießen könnten; er hätte gleichsam alle Monat durchs Jahr ein sondere Art Fisch zu genießen, die in und vor dem süßen Wasser der Insel zu laichen ankämen; solche Wohltaten Gottes genieße er auch von dem Geflügel, so von einer Zeit zur andern sich bei ihm niederließen, entweder zu ruhen und sich zu speisen oder Eier zu legen und Junge zu hecken; wollte jetzt von der Insel Fruchtbarkeit, als die ich selbst vor Augen sehe, nichts melden; betreffend die Hilf der Menschen, deren er bei seinem Abscheid beraubt sein müßte, bekümmere ihn solches im geringsten, nichts, wenn er nur Gott zum Freunde hab; so lang er bei den Menschen in der Welt gewesen, hätte er jeweils mehr Verdruß von Feinden als Vergnügen von Freunden empfangen, und machten einem die Freund selbst oft mehr Ungelegenheit als einer Freundschaft von ihnen zu hoffen; hätte er hier keine Freund, die ihn liebten und bedienten, so hätte er doch auch keine Feinde, die ihn haßten, welche beide Art der Menschen einen jeden zum Sündigen bringen könnten, deren aber er beider überhoben und also Gott desto geruhiger dienen könnte; zwar hätte er anfänglich viel Versuchungen beides von sich selbsten und dem Erbfeind aller Menschen erdulden und überstehen müssen, er hätte aber allwegen durch göttliche Gnad in den Wunden seines Erlösers (dahin noch sein einzige Zuflucht gestellt sei) Hilf, Trost und Errettung gefunden und empfangen.
Mit solchem und gleichmäßigen mehrerem Gespräch brachte ich mein Zeit mit dem Teutschen zu; indessen wurde es mit unseren Kranken von Stund zu Stund besser, so daß wir den vierten Tag auch kein einzigen mehr hatten, der sich klagt'; wir besserten im Schiff, was zu bessern war, nahmen frisch Wasser und anders von der Insel ein und fuhren, nachdem wir sechs Tag uns auf der Insel genugsam ergötzt und erfrischt, den siebenten Tag aber gegen die Insel S. Helenae, allwo wir teils Schiff von unserer Armada fanden, die auch ihre Kranken pflegten und der überigen Schiff erwarteten; von dannen wir nachgehends glücklich allhier in Holland ankommen.
Hiebei hat der Herr auch ein paar von den leuchtenden Käfern zu empfangen, vermittelst deren ich mit oftgemeldtem Teutschen in abgesagte Höhle kommen, welches wohl ein grausame Wunderspelunke ist; sie war ziemlich proviantiert mit Eiern, welche sich, wie mir der Teutsche sagt', in derselbigen übers Jahr halten, weil der Ort mehr kühl als kalt ist; in dem hintersten Winkel der Höhlen hatte er viel hundert dieser Käfer, davon es so hell war, als in einem Zimmer, darin überflüssig Lichter brennen; er berichtet' mich, daß sie zu einer gewissen Zeit des Jahrs auf der Insel von einer sonderen Art Holz wachsen, würden aber innerhalb vier Wochen von einer Gattung fremder Vögel, die zu derselben Zeit ankommen und Junge hecken, alle miteinander aufgefressen, alsdann müsse er die Notdurft finden, sich deren das Jahr hindurch anstatt der Lichter sonderlich in besagter Höhle zu bedienen; in der Höhle behalten sie ihre Kraft übers Jahr, in der Luft aber trocknet die leuchtende Feuchtigkeit aus, daß sie den geringsten
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