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Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch

Titel: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen
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suchte ich ein hohlen Baum zu meiner Herberg, mein Zehrung war nichts anders als Buchen, die ich unterwegs auflas, den dritten Tag aber kam ich ohnweit Gelnhausen auf ein ziemlich eben Feld, da genoß ich gleichsam eines hochzeitlichen Mahls, denn es lag überall voller Garben auf dem Feld, welche die Bauren, weil sie nach der namhaften Schlacht vor Nördlingen verjagt worden, zu meinem Glück nicht einführen können, in deren einer macht ich mein Nachtlager, weil es grausam kalt war, und sättigte mich mit ausgeriebenen Weizen, dergleichen ich lang nicht genossen.

Das 19. Kapitel
    Wie Hanau von Simplicio, und Simplicius von Hanau eingenommen wird
    Da es taget', füttert ich mich wieder mit Weizen, begab mich zum nächsten auf Gelnhausen, und fand daselbst die Tor' offen, welche zum Teil verbrennet, und jedoch noch halber mit Mist verschanzt waren: Ich ging hinein, konnte aber keines lebendigen Menschen gewahr werden, hingegen lagen die Gassen hin und her mit Toten überstreut, deren etliche ganz, etliche aber bis aufs Hemd ausgezogen waren. Dieser jämmerliche Anblick war mir ein erschrecklich Spektakul, maßen sich jedermann selbsten wohl einbilden kann, meine Einfalt konnte nicht ersinnen, was für ein Unglück den Ort in einen solchen Stand gesetzt haben müßte. Ich erfuhr aber ohnlängst hernach, daß die kaiserlichen Völker etliche Weimarischen daselbst überrumpelt. Kaum zween Steinwürf weit kam ich in die Stadt, als ich mich derselben schon satt gesehen hatte, derowegen kehrete ich wieder um, ging durch die Au nebenhin und kam auf ein gänge Landstraß, die mich vor die herrliche Festung Hanau trug: Sobald ich deren erste Wacht ersah, wollte ich durchgehen, aber mir kamen gleich zween Musketier auf den Leib, die mich anpackten, und in ihre Corps de Garde führten.
    Ich muß dem Leser nur auch zuvor meinen damaligen visierlichen Aufzug erzählen, ehe daß ich ihm sage, wie mirs weiter ging, denn meine Kleidung und Gebärden waren durchaus seltsam, verwunderlich und widerwärtig, so, daß mich auch der Gouverneur abmalen lassen: Erstlich waren meine Haar in dritthalb Jahren weder auf griechisch, teutsch noch französisch abgeschnitten, gekampelt noch gekräuselt oder gebüfft worden, sondern sie stunden in ihrer natürlichen Verwirrung noch, mit mehr als jährigem Staub anstatt des Haarplunders, Puders oder Pulvers (wie man das Narren- oder Närrinwerk nennet) durchstreuet, so zierlich auf meinem Kopf, daß ich darunter hervorsah mit meinem bleichen Angesicht, wie ein Schleiereul die knappen will oder sonst auf eine Maus spannet. Und weil ich allzeit barhäuptig zu gehen pflegte, meine Haar aber von Natur kraus waren, hatte es das Ansehen, als wenn ich ein türkischen Bund aufgehabt hätte; das übrige Habit stimmte mit der Hauptzierd überein, denn ich hatte meines Einsiedlers Rock an, wenn ich denselben anders noch einen Rock nennen darf, dieweil das erste Gewand, daraus er geschnitten worden, gänzlich verschwunden, und nichts mehr davon übrig gewesen als die bloße Form, welche mehr als tausend Stücklein allerhandfarbiges, zusammengesetztes oder durch vielfältiges Flicken aneinandergenähetes Tuch noch vor Augen stellte. Über diesem abgangenen und doch zu vielmalen verbesserten Rock trug ich das hären Hemd, anstatt eines Schulterkleids (weil ich die Ärmel anstatt eines Paar Strümpfe brauchte, und dieselben zu solchem Ende herabgetrennet hatte), der ganze Leib aber war mit eisernen Ketten, hinten und vorn fein kreuzweis, wie man Sanctum Wilhelmum zu malen pflegt, umgürtet, so daß es fast eine Gattung abgab wie mit denen, so vom Türken gefangen und für ihre Freunde zu betteln im Land umziehen; meine Schuh waren aus Holz geschnitten, und die Schuhbändel aus Rinden von Lindenbäumen gewebt, die Füß selbst aber sahen so krebsrot aus, als wenn ich ein Paar Strümpf von spanisch Leibfarb angehabt, oder sonst die Haut mit Fernambuk gefärbt hätte: Ich glaube, wenn mich damals ein Gaukler, Marktschreier oder Landfahrer gehabt, und für einen Samojeden oder Grönländer dargeben, daß er manchen Narren angetroffen, der ein Kreuzer an mir versehen hätte. Ob nun zwar ein jeder Verständige aus meinem magern und ausgehungerten Anblick und hinlässiger Aufziehung ohnschwer schließen können, daß ich aus keiner Garküchen, oder aus dem Frauenzimmer, weniger von irgendeines großen Herrn Hofhaltung entlaufen, so wurde ich jedoch unter der Wacht streng examiniert, und gleichwie sich die Soldaten an

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