Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
aufeinandergesetzt, um Hals und Leib hatte er ein schwere eiserne Ketten gewunden wie S. Wilhelmus, und sah sonst in meinen Augen so scheußlich und fürchterlich aus, daß ich anfing zu zittern, wie ein nasser Hund, was aber meine Angst mehret', war, daß er ein Kruzifix ungefähr sechs Schuh lang an seine Brust drückte, und weil ich ihn nicht kennete, konnte ich nichts anders ersinnen, als dieser alte Greis müßte ohn Zweifel der Wolf sein, davon mir mein Knan kurz zuvor gesagt hatte: In solcher Angst wischte ich mit meiner Sackpfeif hervor, welche ich als meinen einzigen Schatz noch vor den Reutern salviert hatte; ich blies zu, stimmte an, und ließ mich gewaltig hören, diesen greulichen Wolf zu vertreiben, über welcher jählingen und ohngewöhnlichen Musik, an einem so wilden Ort, der Einsiedel anfänglich nicht wenig stutzte, ohn Zweifel vermeinend, es sei etwa ein teuflisch Gespenst hinkommen, ihn, wie etwa dem großen Antonio widerfahren, zu tribulieren, und seine Andacht zu zerstören: Sobald er sich aber wieder erholete, spottet' er meiner, als seines Versuchers im hohlen Baum, wo hinein ich mich wieder retiriert hatte, ja er war so getrost, daß er gegen mich ging, den Feind des menschlichen Geschlechts genugsam auszuhöhnen. »Ha«, sagte er, »du bist ein Gesell dazu, die Heiligen ohne göttliches Verhängnis« etc. mehrers habe ich nicht verstanden, denn seine Näherung ein solch Grausen und Schrecken in mir erregte, daß ich des Amts meiner Sinne beraubt wurde, und dorthin in Ohnmacht niedersank.
Das 7. Kapitel
Simplicius wird in einer armen Herberg freundlich traktiert
Wasgestalten mir wieder zu mir selbst geholfen worden, weiß ich nicht, aber dieses wohl, daß der Alte meinen Kopf in seinem Schoß, und vorn meine Juppen geöffnet gehabt, als ich mich wieder erholete; da ich den Einsiedler so nahe bei mir sah, fing ich ein solch grausam Geschrei an, als ob er mir im selben Augenblick das Herz aus dem Leib hätte reißen wollen. Er aber sagte: »Mein Sohn, schweig, ich tue dir nichts, sei zufrieden« etc. je mehr er mich aber tröstete, und mir liebkoste, je mehr ich schrie: »O du frißt mich! O du frißt mich! du bist der Wolf, und willst mich fressen.« »Ei ja wohl nein, mein Sohn«, sagte er, »sei zufrieden, ich freß dich nicht.« Dies Gefecht währete lang, bis ich mich endlich so weit ließ weisen, mit ihm in seine Hütten zu gehen, darin war die Armut selbst Hofmeisterin, der Hunger Koch, und der Mangel Küchenmeister, da wurde mein Magen mit einem Gemüs und Trunk Wassers gelabt, und mein Gemüt, so ganz verwirret war, durch des Alten tröstliche Freundlichkeit wieder aufgericht und zurecht gebracht: Derowegen ließ ich mich durch die Anreizung des süßen Schlafes leicht betören, der Natur solche Schuldigkeit abzulegen. Der Einsiedel merkte meine Notdurft, darum ließ er mir den Platz allein in seiner Hütten, weil nur einer darin liegen konnte; ohngefähr um Mitternacht erwachte ich wieder, und hörete ihn folgendes Lied singen, welches ich hernach auch gelernet:
Komm Trost der Nacht, o Nachtigall,
Laß deine Stimm mit Freudenschall
Aufs lieblichste erklingen.
Komm, komm, und lob den Schöpfer dein,
Weil andre Vöglein schlafen sein,
Und nicht mehr mögen singen:
Laß dein Stimmlein
Laut erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Ob schon ist hin der Sonnenschein,
Und wir im Finstern müssen sein,
So können wir doch singen
Von Gottes Güt und seiner Macht,
Weil uns kann hindern keine Nacht,
Sein Lob zu vollenbringen.
Drum dein Stimmlein
Laß erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Echo, der wilde Widerhall,
Will sein bei diesem Freudenschall,
Und lässet sich auch hören;
Verweist uns alle Müdigkeit,
Der wir ergeben allezeit,
Lehrt uns den Schlaf betören.
Drum dein Stimmlein etc.
Die Sterne, so am Himmel stehn,
Lassen sich zum Lob Gottes sehn,
Und tun ihm Ehr beweisen;
Auch die Eul die nicht singen kann,
Zeigt doch mit ihrem Heulen an,
Daß sie Gott auch tu preisen.
Drum dein Stimmlein etc.
Nur her mein liebstes Vögelein,
Wir wollen nicht die Fäulsten sein,
Und schlafend liegen bleiben,
Sondern bis daß die Morgenröt
Erfreuet diese Wälder öd,
Im Lob Gottes vertreiben.
Laß dein Stimmlein
Laut erschallen, dann vor allen
Kannst du loben
Gott im Himmel hoch dort oben.
Unter währendem
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