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Das Habitat: Roman (German Edition)

Das Habitat: Roman (German Edition)

Titel: Das Habitat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Luzius
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Die verderbten Bücher
     
    Ich dachte immer, die wirklich schlimmen Geschichten beginnen für gewöhnlich in dunklen Regennächten. Zumindest war dies stets bei all denen der Fall gewesen, die wir uns früher an den Lagerfeuern erzählt hatten – damals, in den glücklichen und sorglosen Tagen meiner Kindheit. Die Geschichte aber, die ich zu erzählen habe, beginnt, wenn ich es mir recht überlege, an einem strahlenden Sommertag. Noch heute, wenn ich mich zurücklehne und die Augen schließe, glaube ich manchmal, ihren lauten Ruf zu hören...
    „Liam!“
    Die Stimme meiner Mutter klang unwirsch und durchdringend.
    „Liam, verdammt!“
    Die Tür des Schuppens flog auf. Blendendes Sonnenlicht flutete herein. Staub tanzte in der Luft.  Mom’s Konturen zeichneten sich im Gegenlicht ab.
    Malcolm und ich verhielten uns völlig still. Wir wagten kaum zu atmen. Vorsichtig lugten wir durch die Ritzen der Bretter hindurch. Bereits als sich meine Mutter, mit lautem Gerufe, von Weitem angekündigt hatte, hatten wir uns hinter dem Verschlag verkrochen.
    Eine Weile verharrte ihr Schattenriss regungslos im Türstock, dann war er verschwunden. Mit einem energischen Knall schlug die Tür zu.
    „Ich möchte wissen, wo der verdammte Bengel bloß wieder steckt!“
    Mom’s Geschimpfe wurde allmählich immer leiser und wurde schließlich vollends vom heißen Sommernachmittag verschluckt.
    Es dauerte jedoch noch eine ganze Zeit, ehe wir uns vorsichtig aus unserem Versteck trauten.
    „Ich schätze das wird Ärger geben. Deine Mom klang echt sauer.“, sagte Malcolm.
    Er hielt die Stimme gesenkt, obwohl es dafür eigentlich keinen Anlass mehr gab.
    „Darauf kannst du wetten.“, antwortete ich. Ich zuckte gelassen mit den Schultern. Tatsächlich aber war meine Gelassenheit nur gespielt.  Malcolm hatte völlig recht. Ich konnte mich schon mal auf einen gewaltigen Ärger einrichten, der heute Abend sicherlich über mich hereinbrechen würde. Doch daran wollte ich jetzt nicht denken.
    Ein Wanderzirkus war heute morgen in Ballynakill angekommen.
    Der Landstrich in dem wir lebten war abgelegen und verschlafen. Viermal im Jahr war Markttag in Ballynakill, welches im Zentrum der verstreuten Dörfer der Umgegend lag. Dann trafen sich alle Bauern, Handwerker und Händler dort. Wochenlang herrschte Vorfreude auf diese Tage. Bereits am nächsten Morgen aber, wenn die letzten Betrunkenen, die es am Abend zuvor nicht mehr bis nach hause geschafft hatten, aus den Straßengräben gekrochen waren und sich getrollt hatten, kehrte die übliche Langeweile wieder ein.
    Wie oft träumten wir Jungs dann davon, einmal die großen Städte zu sehen. In manchen von ihnen sollten sogar mehrere tausend Menschen leben. Ich konnte mir das kaum vorstellen. Die einzige Stadt, die ich selbst gesehen hatte, war Loughrea. Loughrea war ungefähr 20 Kilometer entfernt und hatte über tausend Einwohner; soviel wie unser gesamter Landkreis zusammengenommen. So zumindest hatte man es mir gesagt.
    Mein Vater hatte mich in diesem Frühjahr zum ersten Mal auf einer seiner relativ häufigen Fahrten dorthin mitgenommen, als er wieder einmal einen neuen Zuchtbullen ersteigert hatte. Dies hatte mich zwar anfangs etwas gewundert, hatten wir doch selbst erst vor kurzem ein hervorragendes Tier verkauft, doch dachte ich mir schließlich nichts weiter dabei. Die Farm meiner Eltern war bekannt für seinen hervorragenden Viehbestand und regelmäßiger Handel gehörte offenbar zum Geschäft; so sagte ich mir. Abgesehen von diesem einen Mal aber, war ich nie aus unserer Umgegend heraus gekommen. Man reiste nicht viel. Niemand tat das. Man blieb wo man geboren worden war, lebte sein Leben – und irgendwann starb man auch dort. Nun ja, die meisten jedenfalls. Nur Handwerksburschen zogen bisweilen umher. Und Fahrende Händler. Doch auch diese verließen nur selten ihr County.
    Durch meinen Trip nach Loughrea galt ich bereits als weitgereist. Die Jungs der Umgegend hatten mich alle beneidet, und ich war wochenlang der Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit gewesen. Wieder und immer wieder hatte ich jede Einzelheit genau beschreiben müssen. Noch heute war das Interesse daran nicht völlig abgeebbt.
    Ein Zirkus in Ballynakill kam also einer Sensation gleich. Eine merkwürdige Aufregung hatte von mir Besitz ergriffen, als Malcolm über die Felder zu uns herübergerannt war und atemlos davon berichtet hatte.
    Ich war gerade mit meinem Vater von der Feldarbeit gekommen. Mom wartete bereits mit dem

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