Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
ich nur, wo deine Eltern wohneten, so wollte ich dich gerne wieder hinbringen, und sie zugleich lehren, wie sie Kinder erziehen sollten.
Simpl.: Ich weiß nicht, wo ich hin soll - unser Haus ist verbrennet, und mein Meuder hinweggelaufen, und wieder kommen mit dem Ursele, und mein Knan auch, und unser Magd ist krank gewesen, und ist im Stall gelegen.
Eins.: Wer hat denn das Haus verbrennt?
Simpl.: Ha, es sind so eiserne Männer kommen, die sind so auf Dingern gesessen, groß wie Ochsen, haben aber keine Hörner, dieselben Männer haben Schafe und Kühe und Säu gestochen, und da bin ich auch weggelaufen, und da ist danach das Haus verbrennt gewesen.
Eins.: Wo war denn dein Knan?
Simpl.: Ha, die eisernen Männer haben ihn angebunden, da hat ihm unser alte Geiß die Füß geleckt, da hat mein Knan lachen müssen, und hat denselben eisernen Mannen viel Weißpfennig geben, große und kleine, auch hübsche gelbe, und sonst schöne glitzerichte Dinger, und hübsche Schnür voll weißer Kügelein.
Eins.: Wann ist dies geschehen?
Simpl.: Ei wie ich der Schaf hab hüten sollen, sie haben mir auch mein Sackpfeif wollen nehmen.
Eins.: Wann hast du der Schaf sollen hüten?
Simpl.: Ei hörst dus nicht, da die eisernen Männer kommen sind, und danach hat unser Ann gesagt, ich soll auch weglaufen, sonst würden mich die Krieger mitnehmen, sie hat aber die eisernen Männer gemeiner, und da sein ich weggelaufen, und sein hieher kommen.
Eins.: Wo hinaus willst du aber jetzt?
Simpl.: Ich weiß weger nit, ich will bei dir hier bleiben.
Eins.: Dich hier zu behalten, ist weder mein noch dein Gelegenheit, iß, alsdann will ich dich wieder zu Leuten führen.
Simpl.: Ei so sag mir denn auch, was Leut für Dinger sind?
Eins.: Leut sind Menschen wie ich und du, dein Knan, dein Meuder und euer Ann sind Menschen, und wenn deren viel beieinander sind, so werden sie Leut genennt.
Simpl.: Haha.
Eins.: Nun geh und iß.
Dies war unser Diskurs, unter welchem mich der Einsiedel oft mit den allertiefsten Seufzern anschauete, nicht weiß ich, ob es darum geschah, weil er ein so groß Mitleiden mit meiner Einfalt und Unwissenheit hatte, oder aus der Ursach, die ich erst über etliche Jahr hernach erfuhr.
Das 9. Kapitel
Simplicius wird aus einer Bestia zu einem Christenmenschen
Ich fing an zu essen und hörete auf zu papplen, welches nicht länger währete, als bis ich nach Notdurft gefuttert hatte, und mich der Alte fortgehen hieß: Da suchte ich die allerzartesten Worte hervor, die mir mein bäurische Grobheit immermehr eingeben konnte, welche alle dahin gingen, den Einsiedel zu bewegen, daß er mich bei sich behielte: Ob es ihm nun zwar beschwerlich gefallen, meine verdrießliche Gegenwart zu gedulden, so hat er jedoch beschlossen, mich bei sich zu leiden, mehr, daß er mich in der christlichen Religion unterrichtete, als sich in seinem vorhandenen Alter meiner Dienste zu bedienen, seine größte Sorg war, mein zarte Jugend dürfte eine solche harte Art zu leben in die Länge nit ausharren mögen.
Eine Zeit von ungefähr drei Wochen war mein Probierjahr, in welcher eben S. Gertraud mit den Gärtnern zu Feld lag, also daß ich mich auch in deren Profession gebrauchen ließ, ich hielt mich so wohl, daß der Einsiedel ein sonderliches Gefallen an mir hatte, nicht zwar der Arbeit halber, so ich zuvor zu vollbringen gewohnet war, sondern weil er sah, daß ich ebenso begierig seine Unterweisungen hörete, als geschickt die wachsweiche und zwar noch glatte Tafel meines Herzens solche zu fassen sich erzeigte. Solcher Ursachen halber wurde er auch desto eifriger, mich in allem Guten anzuführen, er machte den Anfang seiner Unterrichtungen vom Fall Luzifers, von dannen kam er in das Paradeis, und als wir mit unsern Eltern daraus verstoßen wurden, passierte er durch das Gesetz Mosis, und lehrete mich vermittelst der zehen Gebot Gottes und ihrer Auslegungen (von denen er sagte, daß sie ein wahre Richtschnur seien, den Willen Gottes zu erkennen, und nach denselben ein heiliges Gott wohlgefälliges Leben anzustellen) die Tugenden von den Lastern zu unterscheiden, das Gute zu tun, und das Böse zu lassen: Endlich kam er auf das Evangelium, und sagte mir von Christi Geburt, Leiden, Sterben und Auferstehung; zuletzt beschloß ers mit dem jüngsten Tag, und stellet' mir Himmel und Höll vor Augen, und solches alles mit gebührenden Umständen, doch nit mit gar zu überflüssiger Weitläufigkeit, sondern wie ihn dünkte, daß ichs am allerbesten
Weitere Kostenlose Bücher